Bringt den Wahlkampf auf ZAK

■ Freya Klier: Eine Klarsicht-Prämie für Küppersbusch

Nun ist es soweit, die Kulminationsphase des großen Wahlmarathons scheint eingeläutet: Schon reiht sich Aufsteller an Aufsteller, fädelt sich in den Straßen Gesicht an Gesicht, und eines wirkt seriöser als das andere. „Vertrau' mir doch endlich!“ beziehungsweise „Wähl' mich!“ lächeln die (meist männlichen) Kandidaten und regen niemanden auf. Höchstens die Radler stören sich an den Hindernissen, die Businsassen und PS-starken Stau-Fans ertragen die Gesichtsfülle mit abgehärtet klaglosen Mienen – immer dasselbe, alle vier Jahre wieder, die Lokalgrößen sind es doch nicht, die den Wahlausgang bestimmen... Nur, wer das Geld hat, ganze Wände zu füllen, erntet Wahrnehmung: Union und Sozis, die Großen also, dazu die PDS, die mit ihrer Totalbeherrschung des Berliner Stadtbildes demonstriert, daß noch immer sie die reichste Partei Deutschlands ist.

Alles wie gehabt? Alles wie gehabt – jetzt wird nicht mehr gefackelt, jetzt geht es um die Wohlstandswurst. Und nicht die Gesichter oder Inhalte wechseln, sondern die Schwerpunkte. Klare Revieraufteilung zwischen den Elefanten: Die SPD übernimmt den Softpart – Alte, Frauen, Kinder; für die CDU badet ein kraftstrotzender Kanzler in einer Männermenge. Passé die deutsch-deutschen Schmonzetten, der Einheitsfrust diesseits und jenseits taugt heuer am allerwenigsten zum Stimmenfang. Wenig werbewirksam offenbar auch die Multikulti-Spots, die noch den Euro-Wahlkampf färbten und die vor allem die Einheitsgenossen in ihrer stets atemberaubenden Schamlosigkeit vorführten: Gerade sie, die in ihrem Staat gewordenen Stacheldrahtverhau nicht einmal Mischehen duldeten, schlugen im Sommer mit wandhohen Plakaten in türkisch zu.

Nein, nein, diesmal werde ich mich zurückhalten. Werde nicht allzu sehr daran erinnern, daß die großfressigen „Lust-auf-Veränderung“-Verkünder unter ihrer 1990 poppig übergestülpten „Links“- Maske eher biedere, auf jeden Fall beinharte Funktionäre sind ... daß gerade die „Veränderung beginnt mit Opposition“-Erfinder identisch sind mit jenen, die 45 Jahre lang jeden Keim von Opposition in ihrem Polizeistaat erstickten. Denn diesmal soll prämiert, nicht entlarvt werden. Prämiert – ja, was eigentlich? Zerstrittene Ehrlichkeit, eiskalte Raffinesse? Schamlosigkeit, gähnende Langeweile?

Witz würde ich gern prämieren, Klugheit und die Gabe, diese Paarung auch noch im Kammerton zu servieren – und da fällt mir bei aller Wahlqual nur „ZAK“ ein, samt Friedrich Küppersbusch. Den schlage ich hiermit zur Klarsicht- Prämie vor. Und stellvertretend für einen fast durchgehend scharfen Wochendurchblick den, der den 18. September abrundete:

Niemand brachte mir das weißblaue Wahlfieber je näher als Küppersbusch, jene Zeit, die „man in Bayern nur im Vollrausch aushält“. Ein schäumender Bierblättler stimmte mich ein, exakt auf die Eins schäumte und spritzte es zur Musik von Carl Orff, teilhaben durfte ich am Handschlag zwischen der blühenden Renate und Edmund, dem vertrockneten Quotenkiller ... Bierhähne rauschten und Bärte, und Gauweiler nannte den WDR einen Scheißsender. Küppersbusch, der Mann mit dem Munch-Schädel, sprengte die Wahlkampfparolen leise auf, in all ihre Plattheiten ... Und trat ein paar Minuten später den noch immer raren Beweis an, daß selbst ein Westler – so er denkt und genau hinschaut und nicht wie ein pawlowscher Hund beim Stichwort „links“ treudoof zu hecheln beginnt – den Brüdern im Osten sehr genau hinter die Maske zu leuchten vermag. So folgte also dem Schauplatz Blauweiß der Schauplatz Rotgelb und der heiße Tip an die abnippelnde FDP, sich doch von der PDS abzugucken, wie man Vergangenheit noch flotter vom Tisch lügt als gewohnt. Die Einheitspartei wird empfohlen, Lambsdorff und Kutzmutz, ein glibbriges Lügen in Rot und Gelb, dann entspringt den zäh sackenden Farben das vertraute Einheitsparteizeichen, über dem festen Händedruck ein geschwungenes FDPDS – ein innovativer, allein schon preisverdächtiger Schmelzvorschlag ...

Ich lachte schallend – wo gibt es sonst schon was zu lachen bei Wahlen? Die PDS-Genossen aber reagierten sauer. Und übten nach bewährter Methode Zensur: Ihr hauseigener Sender ORB, in dem fast der gesamte DDR-Fernsehfunk untergeschlüpft ist und der gnadenlos als Werbetrommel für Gysi-Bisky-Kutzmutz-Stolpe rotiert, schnitt tags darauf (in der Wiederholungssendung für Ostgemüter) das heiße rotgelbe Teil raus! ZAK-Schnippschnapp-Klassenkampf! Zu sehen war nach den Amigos gerade noch die Ouvertüre zu Rotgelb – unter Donnergelächter zieht Kohl dem totbleichen Kinkel den Luftschlauch aus dem Puppenkittel – dann nippelte nicht nur Kinkel ab, sondern auch meine Vorfreude: Völlig zusammenhanglos folgte der Ouvertüre plötzlich ein junger Einzelkandidat aus Bonn! Nein, Rotgelb kam auch später nicht, fiel einfach aus.

Alles wie gehabt? Alles wie gehabt! Zur Klarsicht-Prämie für Küppersbusch nun bitte kein Fahrrad und auch keinen tröstenden taz-Rucksack: Wie wäre es, die ZAK-Episoden zur Wahl 94 auf eine Kassette zu schneiden und diese nach Kräften unters Volk zu bringen? Warum sollen nicht auch diejenigen mal was zu lachen haben, die zu Wahlzeiten jedes Fernsehen meiden? Der so Prämierte wäre sicher nicht sauer. Denke ich.