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Labyrinth der Kataloge

■ Die Berliner Bibliotheken sind wenig benutzerfreundlich / Ausbau der Fernleihe als Kompensation für Einsparungen?

In keiner anderen deutschen Stadt gibt es so viele Bücher wie in Berlin. Allein die „Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz“ verfügt über rund acht Millionen Bände, die sich auf die frühere Deutsche Staatsbibliothek Unter den Linden (Haus 1) und den Scharoun-Bau am Kulturforum (Haus 2) verteilen. Aber fast nirgends ist es so aufwendig, ein gewünschtes Buch auch zu bekommen. So müssen sich BenutzerInnen der Staatsbibliothek mit einem Informationsblatt vertraut machen, das neun alphabetische und vier Sachkataloge ausweist.

Daß die Häuser in West und Ost jeweils verschiedene Kataloge führen, versteht sich von selbst. Doch beide besitzen wiederum drei zeitlich getrennte Katalogsysteme. In Haus 1 sind die Bestände bis 1908, von 1909 bis 1974 sowie von 1975 bis 1992 getrennt verzeichnet. In Haus 2 reicht der Provisorische Altbestandskatalog bis 1891 und der Alte Alphabetische Katalog bis 1984. „Neuer Alphabetischer Katalog“ ist nur ein anderer Name für den Katalog des Berliner Bibliotheksverbundes, der seit 1985 geführt wird und die Bestände aller Verbundsbibliotheken umfaßt.

Die Suche ist aber noch komplizierter: Weil sich manche Zäsuren auf das Erscheinungsjahr, andere auf das Erwerbsjahr beziehen, ist es in jedem Fall ratsam, alle Verzeichnisse zu konsultieren. Von Bedeutung ist zudem der bis 1955 geführte „Alte Realkatalog“. Dort sollte nachschlagen, wer ein Vorkriegsbuch sucht und sich eine ergebnislose Bestellung sparen will: In ihm sind alle Bände abgehakt, die von der kriegsbedingten Auslagerung nach Berlin zurückkehrten.

Gisela Herdt, Abteilungsleiterin Benutzung, nennt einen der Gründe für dieses Chaos. 1985 lösten im Westen die bundeseinheitlichen „Regeln für alphabetische Katalogisierung“ die alten „Preußischen Instruktionen“ ab; die Ostberliner BibliothekarInnen katalogisierten schon seit 1975 nicht mehr nach der komplizierten preußischen Art. „Damit war vorgegeben“, so Herdt, „daß man einen neuen Katalog beginnt“.

Um wenigstens etwas zu vereinfachen, werden zunächst die Ost- Bestände der letzten acht Jahre nachkatalogisiert. Der ganz große Wurf aber wird „wohl erst am Ende des Jahrhunderts“ gelungen sein: Dann sollen die acht Millionen Titel „retrokonvertiert“ und damit an Terminals abrufbar sein.

In den drei Universitätsbibliotheken müssen die StudentInnen nach wie vor in verstaubten Zettelkatalogen blättern. An der Humboldt-Universität sind die ältesten Bestände noch von Hand in Bücher eingetragen. Da ist es schon ein Fortschritt, daß die FU-BibliothekarInnen ein Fünftel ihres Bestandes im Freihandmagazin aufgestellt haben, so daß aufwendiges Bestellen entfällt.

Um mehr Benutzerfreundlichkeit bemüht ist dagegen die Amerika Gedenkbibliothek (AGB). Dort sind von 850.000 Bänden schon 600.000 Datensätze vollständig per Computer abrufbar. Hinzu kommt „eine bundesdeutsche Premiere“, wie Direktorin Charlotta Pawlowsky-Flodell stolz verkündet: Zwei Testpersonen sind schon seit Juli am heimischen PC per Telefonleitung mit der Bibliothek verbunden und können „zu jeder Tages- und Nachtzeit“ im Katalog blättern; auch Vorbestellungen sind möglich. Sobald der Senat das Geld für eine neue Telefonzentrale freigibt, „höchstwahrscheinlich nächstes Jahr“, kann sich jeder von zu Hause einklinken.

Doch heißt das noch nicht, daß die Berliner Bibliotheken künftig benutzerfreundlicher werden. Die Kürzungen im Hochschulbereich zwingen dazu, Zeitschriften abzubestellen, weniger Bücher zu kaufen und die Öffnungszeiten zu verkürzen. Vor allem aber fehlt der Platz. Die vom Wissenschaftsrat geforderte zentrale Speicherbibliothek ist nicht in Sicht. Im günstigsten Fall werden sich die Bestellzeiten verlängern. Über die ungünstigere Variante darf offenbar nicht spekuliert werden – der FU-Bibliotheksdirektor Ulrich Naumann bekam von seinem Uni- Präsidenten prompt einen Maulkorb verpaßt, nachdem er erklärt hatte: „Im Mittelalter wurden entsorgte Bibliotheken als Packlage im Straßenbau verwendet, weil das relativ stabiles Material war.“

Vorsorglich suchen die Kultusministerkonferenz und Bundesbildungsminister Karl-Hans Laermann nach Wegen, den Mangel zu verwalten. Anfang Oktober stellten sie die „Bund-Länder-Initiative zur Beschleunigung der Literatur- und Informationsdienste“ vor, die den umständlichen Fernleihverkehr durch eine Vernetzung von Datenbanken ersetzen soll. Bücher, die in der Hauptstadt nicht mehr verfügbar sind, könnten dann von auswärts angefordert werden. Ralph Bollmann

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