■ Kommentar: Die Hamburger Krankheit
Die Mehrheit der Deutschen wollte den Wechsel, glaubte aber nicht, daß er kommen könne. Die SPD, das räumen mittlerweile selbst führende Sozialdemokraten ein, hat ihren Wahlkampf auf einer grundlegend falschen Taktik aufgebaut. Sie hat auf Konfrontation, auf Alternative, auf glaubwürdigen Wechselwillen verzichtet. Kohl in der Mitte zu überholen, das ist ein schier unmögliches Unterfangen, weil es die Auseinandersetzung um Themen und politische Inhalte verhindert, das einzige Feld, auf dem der Dicke zu schlagen gewesen wäre.
Freilich: Hamburger Genossen wie Ex-SPD-Chef Helmuth Frahm und sein Nachfolger Jörg Kuhbier, die jetzt den Finger klug in diese Wunde legen, sollten sich vielleicht besser an die eigene Nase fassen. Das Scharpingsche Wahlkampfkonzept ist SPD Hamburg pur: Reformwähler frusten, auf politische Aussagen verzichten und, gewürzt mit ein paar sozialdemokratischen Kanalarbeitertraditionalismen, verzweifelt dem Phantom des Mainstream in der Wählermitte nachhecheln.
In Hamburg hat eine Politik nach Art des Kohlschen „Weiter So!“ die SPD trotz eines beständigen Absturzes bislang an der Macht gehalten. Wenn die Statt-Partei in zwei Jahren den Weg alles Irdischen gegangen sein wird, ist es mit dieser Art von Machterhalt jedoch endgültig vorbei.
Daß Hamburgs Sozis aus dieser Erkenntnis vor der nächsten Hamburger Wahl Konsequenzen ziehen, steht allerdings nicht zu befürchten. Hier geschehen Änderungen immer erst, wenn die Zeitläufte sie schon längst vollzogen haben. Oggersheim kann sich freuen: Die Hamburger Krankheit – Modell Deutschland.
Florian Marten
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