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Was sind die Alternativen?

■ Betr.: „Nieder mit der Hilfe!“, taz vom 6.10.94

Ein ausgezeichneter Artikel, allerdings mit einer falschen Schlußfolgerung. Willi Germund führt in aller Deutlichkeit vor, daß eine Hilfsorganisation in einem Kriegsgebiet auch nur ein Akteur unter vielen ist. Sie verfügt nur über (oft sehr) begrenzte Macht, und ihre humanitären Intentionen werden von anderen Interessen instrumentalisiert. Das verwundert bei schärferem Nachdenken nicht, geht aber im humanitären Diskurs hierzulande oft unter und war deshalb auch einen aggressiven Artikel wert.

Dennoch: Was sind die Alternativen? Somalia hat gezeigt, daß direkte militärische Interventionen in humanitärer Absicht derselben Logik unterliegen können, sobald der anfängliche Überwältigungseffekt einmal seine Wirkung verloren hat: Die US- und UNO-Einheiten wurden in Kleinkriege und Ressourcenkonflikte verwickelt. Sie wurden ein militärischer Akteur unter vielen und ziehen jetzt ab, weil die Kosten zu hoch werden.

Die andere Alternative: Ignorieren, Nicht-Eingreifen? Das schlechte Gewissen und die Medien in USA/Europa/Japan werden das kaum zulassen, die Staaten und Fraktionen der Dritten Welt auch nicht. Denn die Kriege werden dadurch nicht beendet, auch wenn der Autor das unterstellt.

Germunds Forderung „Nieder mit der Hilfe“ beruht kaum verhüllt auf der Annahme, daß die Kriege in Afrika „ausbluten“ würden, sobald die Nahrungsmittelhilfe fehlt. Er führt als (einziges!) Beispiel Mosambik an, wo die Dürre die Renamo „ausgehungert“ habe. Das Beispiel ist irreführend; die Renamo hat über ein Jahrzehnt einen Krieg geführt, der massiv auf Kosten der Zivilbevölkerung auch in den von ihr selbst kontrollierten Gebieten ging. Der Friedensprozeß in Mosambik hat andere Wurzeln, in der internationalen Entwicklung ebenso wie in der innenpolitischen Perspektivlosigkeit beider Seiten. Die internationale Unterstützung des Friedensprozesses bietet beiden Seiten Anreize, gerade auch materieller Art, zum Frieden zu kommen.

Die Idee, daß ein Krieg „ausblutet“, setzt voraus, daß die bewaffneten Einheiten sich aus dem Land ernähren (so wie man sich das für den Dreißigjährigen Krieg hierzulande vorstellen kann). Das ist jedoch allenfalls teilweise richtig: Wenn eine Armee von außen beliefert wird (wie die Renamo in ihren Anfangstagen) oder von Ressourcen lebt, die weitgehend unabhängig von der Lebenssituation der Restbevölkerung sind (wie der Diamanten- und Elfenbeinexport der Unita in Angola), dann „funktioniert“ das Argument nicht mehr. Die Basis der Kriegführung wird externalisiert, der Krieg kann auf unbestimmte Zeit weitergeführt werden.

Und selbst wenn sich die Armee aus dem Land ernähren muß, so ist sie den Bauern wohl in aller Regel überlegen und kann sich gewaltsam holen, was sie braucht. Und sie kann und wird dies um so mehr tun, je gleichgültiger ihr ihre eigene Legitimität und die Lage der Bevölkerung ist. Das eben ist das Perfide an dieser Situation. Selbstverständlich gibt es irgendwo eine physische Grenze, an der nichts mehr vorhanden ist, was ausgeplündert werden könnte, aber die ist weit. Solch ein Krieg wird sehr, sehr lang dauern. Der Dreißigjährige Krieg trägt seinen Namen nicht von ungefähr.

Die Alternative kann also weder in militärischer Intervention noch im Ignorieren liegen. Die Hilfsorganisationen müssen sich allerdings über die politischen und militärischen Rahmenbedingungen, in denen sie arbeiten, mehr Rechenschaft ablegen als bisher. Das bedeutet einerseits Professionalisierung ihrer Tätigkeit; einige der großen Organisationen tun das ja auch systematisch. Andererseits sollten die Organisationen hierzulande von dem humanitären Fundamentalismus abrücken, den ihnen die Öffentlichkeit bisweilen abverlangt.

Wenn sie schon keine Götter sein können, so können sie doch durchaus versuchen, kompetente und humane Akteure zu sein. Axel Harneit-Sievers

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