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Somalia als Modell des Rückzugs

■ UNO-Generalsekretär sucht Hilfe für Abzug der Blauhelme bis März 1995 / Warnung vor „kritischer Phase“

Nairobi (taz) – Bis zum 31. März 1995 sollen UNO-Truppen in Somalia stationiert bleiben. Das empfiehlt UNO-Generalsekretär Butros Ghali dem Weltsicherheitsrat in seinem jüngsten Bericht zur Lage in dem afrikanischen Land, der dem Gremium jetzt zugegangen ist und über den bis Ende Oktober entschieden werden soll.

Gleichzeitig werden darin allerdings bereits die Bedingungen für einen geordneten Rückzug erörtert. Ghali hat da erhebliche Befürchtungen: „Im schlimmsten Falle müßten UNO-Truppen angesichts feindlicher Aktionen der somalischen Fraktionen und/oder weitverbreiteten Banditentums abziehen, die den Einsatz von Luft- und Seetransport verhindern würden“, heißt es in dem der taz vorliegenden Bericht. Butros Ghali bittet die UN-Mitgliedsstaaten um Unterstützung während der „kritischen Rückzugsphase“, die 60 bis 120 Tage dauern werde. Italien habe dafür bereits fünf bis sechs Schiffe und 300 bis 400 Soldaten zugesagt.

Nach Einschätzung des Generalsekretärs, der sich auf Informationen des UNO-Repräsentanten Kofi Annan nach dessen Somalia- Besuch im September stützt, ist die Gefahr einer neuen humanitären Krise in dem vom Bürgerkrieg zerrissenen Land nicht gebannt: „Jedes natürliche oder durch Menschen erzeugte Desaster in Somalia könnte zu einer neuerlichen Massennot führen, da landeseigene Institutionen fehlen.“ In den meisten Regionen sei die Versorgung mit Grundbedürfnissen wie Wasser, Gesundheit und Schulen „ohne Unterstützung von außen“ nicht gesichert. Angesichts der Unsicherheit hat die UNO „die geographischen Gebiete, in denen die Truppen humanitäre Operationen unterstützen können, kürzlich erheblich reduziert“. UNO-Soldaten halten inzwischen nur noch Schlüsselstellungen wie Hafen und Flughafen in Mogadischu und sind nur noch in der Hauptstadt sowie in Kismayo und Baidoa präsent.

Scharf kritisiert Ghali die Verlängerung des UN-Mandants jeweils von Monat zu Monat: „Die kontinuierliche Unsicherheit über die Zukunft der Mission hat die Planung erschwert und humanitäre Helfer wie auch Hilfsgüter verwundbarer gegenüber Angriffen und Plünderungen gemacht.“ Darüber hinaus fehle es an Mitteln: So seien von geschätzten 19,08 Millionen US-Dollar, die für den Aufbau der somalischen Justiz und Polizei benötigt würden, bislang nur 8,08 Millionen zur Verfügung gestellt worden.

Die Rolle der UNO in Somalia wird nach Überzeugung des Generalsekretärs internationale Bedeutung erlangen: „Die Art und Weise, in der ein endgültiger Rückzug stattfindet, wird wesentliche Auswirkungen auf die künftige Stationierung von UNO-Truppen im Rahmen von Friedensmissionen haben.“ Bettina Gaus

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