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Das sitzen wir auch noch aus

■ Nach den Hochrechnungen Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Opposition und bisheriger Regierung

Berlin (taz) – Die Union hat gewonnen. Mit etwa 41,8 Prozent der Stimmen lag die CDU/CSU nach den Hochrechnungen deutlich vor der SPD, die es auf etwa 36,6 Prozent brachte. Die Union hat verloren: 42 Prozent sind ein deutlich schlechteres Wahlergebnis, als sie vor vier Jahren einfuhr (43,8 Prozent). Ob es aber bei der bisherigen Koalition bleibt, das war zunächst noch nicht endgültig klar. Denn die FDP wird erneut im Bundestag vertreten sein – sie erhielt 6,9 Prozent. Das könnte erneut für eine christlich-liberale Koalition reichen – selbst wenn die PDS wie erwartet in den Bundestag einzieht. Auf jeden Fall dürfte das Ergebnis äußerst knapp werden: Nach der Hochrechnung würden Union und FDP zusammen 333 Mandate im Bundestag erhalten, SPD, Grüne und PDS dagegen 329.

Die Grünen sind auf jeden Fall wieder da. Sie erreichten 6,9 Prozent. Der Vorstandssprecher von Bündnis 90/Die Grünen, Ludger Volmer, zeigte sich zufrieden mit der Rückkehr seiner Partei in den Bundestag. Die Grünen würden – ob nun in der Opposition oder womöglich doch noch in einer rot-grünen Regierung – ihre Wähler repräsentieren, die Stimme der Grünen werde lautstark zu hören sein. „Wir werden Kohl jagen“, sagte Volmer. „Noch einmal vier Jahre aussitzen wird er nicht.“ Vielleicht werde es sogar zum Wechsel innerhalb der Legislaturperiode kommen. Zu einer PDS-Tolerierung einer rot-grünen Minderheitsregierung sagte Vollmer: „Darüber spekulieren wir jetzt überhaupt nicht, solange das Ergebnis der PDS nicht klar ist.“

Die Sozialdemokraten dürfen sich zwar über eine deutliche Steigerung der Stimmenzahl freuen. Sie gewannen etwa drei Prozent hinzu. Allerdings dürfte es für eine rot-grüne Koalition kaum reichen. Dennoch erklärte Troika-Mitglied Gerhard Schröder, die bisherige Koalition sei so schwach, daß gegen die SPD das Land nicht regiert werden könne. Seine Partei sei der große Wahlsieger.

Die Hochrechnungen sahen die PDS bei etwa vier Prozent. Allerdings wird die Partei wohl mindestens drei Direktmandate erringen. Damit wäre sie mit etwa 25 bis 30 Mandaten im Bundestag vertreten. Nach der Hochrechnung dürften Gregor Gysi, Christa Luft und Manfred Müller Direktmandate erhalten. Gregor Gysi erklärte den Wiedereinzug der PDS zu einer „wirklich historischen Leistung“. Sie würden eine rot-grüne Koalition tolerieren. Stefan Heym, der als Unabhängiger in Berlin-Mitte für die PDS kandidiert hatte und voraussichtlich gegen Wolfgang Thierse (SPD) unterlegen ist, sagte: „Das lag ganz einfach an der Tatsache, daß alle anderen Parteien eine Einheitsfront gebildet haben.“

FDP-Chef Klaus Kinkel sah das Ergebnis für seine Partei als „Vorschuß“ der Wähler, als „Chance, die nun genutzt werden muß“. Sichtlich erleichtert sagte er: „Ich bin froh, daß sich mein Kurs durchgesetzt hat.“ Die FDP, so erste Analysen, wurde mehrheitlich von CDU-Anhängern gewählt – profitierte also trotz fehlender Zweitstimmenkampagne der Union trotzdem von den christlichen Leihstimmen.

Der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Wolfgang Schäuble, freute sich „mit zwei lachenden Augen“ über die bislang hochgerechnete Mehrheit für CDU/CSU und FDP. Es sei schwer gewesen, in der ersten Legislaturperiode nach der deutschen Einheit Regierungsverantwortung zu tragen, und es sei ein Grund, sich zu freuen, daß Kanzler Helmut Kohl weiterregieren könne. Auch für den Fall, daß die PDS in den Bundestag einziehe, könne die Koalition weiterregieren. Das werde auch eine disziplinierende Wirkung auf die Abgeordneten von CDU, CSU und FDP haben. klh Seite 2

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