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Vier charmante Rüpel

■ Unberechenbar hip: „Saprize“, die Hoffnung des Bremer Musikuntergrunds, legen ihr erstes Langspielwerk vor: „NO!“

Großes sagen die Auguren der Szenefanzines und Zeitgeistpostillen voraus. Seit „Alwaysacutahead“, der ersten Veröffentlichung von „Saprize“, fiebert der Bremer Untergrund in der Erwartung, daß endlich auch aus der Hansestadt mal Bedeutungsvolles kommen könnte. Einzig die vier Senkrechtstarter haben sich von diesem Theater nicht irre machen lassen. „Saprize“ benehmen sich, trunken zwischen Woodys und Sielwall torkelnd, so, als wüßten sie nicht, daß sie evtl. an der Schwelle zum großen Ruhm stehen. PR-Mätzchen überlassen sie ihren slicken Manager Bernd und machen das, was sie (nach feiern) an Zweitbesten können: Musik.

Ihr erster Tonträger lebte von der Faszination, daß da jemand „Slayer“ durch den Sampler jagt und mehr drüber brüllt als rappt – roh, aber charmant rüpeln sich „Saprize“ seit jeher über die Tanzflure. Die Befürchtung, „Saprize“ würden diesen Charme im Zuge der Professionalisierung ihrer Produktion verlieren, ist aber unbegründet. Auch auf dem ersten richtigen Album, zum Ausdruck der pauschalen Verweigerung gegenüber allem möglichen gleich „NO!“ betitelt, werden immer noch unverfroren die „Neubauten“ oder die Local Heroes „Party Diktator“ zitatweise recycelt.

Klar sorgt die teurere Produktion für mehr Hall auf der Bassdrum; fettere Grooves heizen im Hintergrund ein; und „The Menace“ sorgt mit selten gehörter Perfektion für groovende Telespiel-Piepser und Scratches im Hintergrund

Vor allen aber herrscht immer noch die Haltung, alles zu dürfen und das verdammt noch mal auch zu machen. Die Platte bietet zwar kommerziell Verwertbares wie den locker-flockigen, melodischen Songs „Tik Tak“ oder „I Tell U“. Aber daneben stehen auch merkwürdigkeitren wie der ausgedehnte, psychotische und völlig untanzbare Gruselgroove „The Trip Inside“. Und mal poltern sie auch einfach darauf los, ob's der Welt nun gefällt oder nicht.

Gerade diese unbekümmerte Unberechenbarkeit macht die Qualität von „Saprize“ aus. Souverän und zugleich locker werden da auch Gaststars eingebaut, die eigentlich in eine sehr viel höhere Liga gehören (etwa „MG Fusion“). Hoffentlich schaffen es die vier wüsten Bremer weiterhin, trotz Kommerzrummel und Staraufgebot unpeinliche und einfach gute Partytanzplatten zu machen – für etwas andere Partys. Lars Reppesgaard

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