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Herz erfrischt

■ Die Queen besucht Moskau, und das Volk bereitet sich darauf vor, daß sie in ihm badet

Moskau (taz) – Daß ElizabethII. als erste britische Monarchin endlich ihren Fuß auf russischen Boden setzt, hatte den MoskauerInnen schon vorher allerhand Segen gebracht. Auch wenn die in Eile inszenierte Stadtbildsanierung den bewährten potemkinschen Charakter nicht verleugnet – wo die Großnichte des letzten Zaren aufkreuzen könnte, wurden Fassaden gestrichen –, so fühlt sich das Einwohnerherz doch erfrischt.

Tatsächlich besser fährt es sich jetzt auf vielen Straßen, deren tendenziell bodenlose Schlaglöcher Bürgermeister Luschkow vor den Schnauzen der beiden aus London anrollenden majestätlichen Rolls- Royce-Limousinen schnell noch ausgießen ließ. Natürlich absolvierte auch Luschkow einen Crash-Kurs für Queen-Kontakte: Königinnen begrapscht man nicht und besabbert sie auch nicht mit Bruder-Schwester-Küssen. Höchstens Präsident Boris könnte seine Lektion verschlafen. Und doch gab es Leute, denen angesichts des bevorstehenden Besuchs schwummerig zumute wurde: zum Beispiel die Lehrer und Schüler der „Mittelschule Nr. 20 mit verstärktem Englischunterricht“. Man hatte sie schon im Juli auserwählt, um dem Wunsch der Königin nach einem Bad im russischen Volke entgegenzukommen, aber der versprochene Scheck über 200 Millionen Rubel (momentan etwas über 100.000 Mark) kam erst am 26. September. Da waren der Moskauer Presse zufolge schon längst einige Klassen und das Lehrerzimmer ausgeräumt, Unterricht erschien als Ding der Unmöglichkeit, sämtliche LehrerInnen saßen im Korridor auf den einzigen Stühlen, die zu erwerben bereits gelungen war. Diese wiederum hatten die Schüler zu Fuß herbeigeschleppt, und der Hausmeister montierte sie nach und nach mit seinem Schraubenzieher aus der Epoche des Sozialismus. Ohne Bargeld nämlich wollte die Lieferfirma nicht auch noch Dienstleistungen bieten. Wie bemerkte doch eine Moskauer Kunststudentin, die dieser Tage in einem Wettbewerb um das beste Gemälde anläßlich des Königinnenbesuches eine Englandreise gewann: „Ich freue mich schrecklich, aber ehrlich gesagt weiß ich noch nicht, was besser ist – eine Königin haben oder keine.“ Barbara Kerneck

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