: Dutzende von Rot-Grünen Rathäusern
Spektakuläre Sieger bei der Kommunalwahl in NRW sind die Grünen / Münster und Bonn werden künftig rot-grün regiert / SPD verbucht leichte Verluste / FDP eine kommunale Splitterpartei ■ Von Walter Jakobs
Düsseldorf (taz) – Der große Gewinner der nordrhein-westfälischen Kommunalwahlen sind die Grünen. Sie haben durch spektakuläre Zugewinne dafür gesorgt, daß in Dutzenden von Städten und Gemeinden künftig rot-grüne Mehrheiten möglich sind. Im Landesdurchschnitt schafften die Grünen 10,2 Prozent (plus 1,9) – und das bei einer Wahlbeteiligung von 81,7 Prozent gegenüber 65,6 Prozent im Jahr 1989. Die bisher gültige Daumenformel, wonach eine hohe Wahlbeteiligung den großen Parteien nutzt, hat sich in NRW damit erstmals nicht bestätigt. Eine desaströse Niederlage fuhr die FDP ein. Sie flog reihenweise aus den Rathäusern und kam landesweit nur noch auf 3,8 Prozent (minus 2,7). Die SPD büßte 0,7 Prozent ein und liegt nun bei 42,3 Prozent. Zugelegt hat in den Kommunen auch die CDU. Sie gewann 2,8 Prozent hinzu und kam auf 40,3 Prozent.
Die Ergebnisse der in NRW zusammengelegten Kommunal- und Bundestagswahlen zeigen, daß die WählerInnen inzwischen sehr souverän mit ihrer Stimme umzugehen verstehen. So fiel das Ergebnis für die Grünen bei der Bundestagswahl in NRW mit 7,4 Prozent deutlich geringer aus als auf kommunaler Ebene. Als eigenständige Kraft hat die FDP inzwischen auch in NRW vollends verspielt. Selbst der in Politikerumfragen so hochgeschätzte ehemalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher bekam den liberalen Substanzverlust zu spüren. Der in Wuppertal kandidierende Altliberale erhielt nur noch 6,6 Prozent der Erststimmen. Vor vier Jahren waren es noch satte 19,2 Prozent.
Spektakuläre Machtwechsel stehen in Münster und Bonn bevor. In Köln ist Rot-Grün ebenso möglich wie in Düsseldorf, Bielefeld, Wuppertal oder Mülheim. In der westfälischen CDU-Hochburg Münster wird erstmals seit 1945 eine Sozialdemokratin den CDU- Amtsinhaber ablösen. Die Grünen schafften in der Universitätsstadt mit 16,7 Prozent ihr landesweit bestes Ergebnis. Koalitionsähnliche rot-grüne Vereinbarungen gab es während der vergangenen Wahlperiode nur in Aachen und Krefeld. Während das Aachener Modell trotz einer von CDU und Einzelhandel stark bekämpften Verkehrspolitik den Wahltest bestand, ging Krefeld an die CDU zurück. Hier wurde die SPD für eine kommunale Filzgeschichte ebenso bestraft wie in der Ruhrgebietsstadt Mülheim. Möglicherweise kommt es in Mülheim jetzt zum ersten rot- grünen Pakt im Revier.
Der Sprecher der nordrhein- westfälischen Grünen, Rainer Priggen, hofft nun darauf, daß die Verhandlungen vor Ort für einen „rot-grünen Unterbau im ganzen Land sorgen werden, um auch auf Landesebene im nächsten Jahr den Wechsel möglich zu machen“. NRW-Ministerpräsident Johannes Rau wertete das Wahlergebnis gestern jedoch trotz der leichten Verluste in den Kommunen „als eine gute Ausgangsbasis für die Landtagswahl“ im Mai nächsten Jahres. Der mit absoluter Mehrheit regierende Rau hofft erneut auf die „eigene Mehrheit“. Rau als der gütige Landesvater, dieses alte Wahlkampfstück könnte tatsächlich auch als Neuaufführung sein Publikum finden. Sollte die FDP auch noch aus dem Düsseldorfer Landtag fliegen, bedürfte es zudem weit weniger als 50 Prozent der Stimmen für die SPD, um die Mehrheit der Sitze zu erringen.
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