: Junkie-Euthanasie
■ betr.: „Ganz große Koalition für Einwegspritzen“, „Spritze kann tödliche Waffe sein“, taz vom 4./5.10.94
Bereits im Oktober 1989 hat die taz in einem Artikel auf die unhaltbaren Zustände, insbesondere in den Altbauten, aufmerksam gemacht. Unter anderem schrieb die taz damals, daß die HIV-Rate „explodiert“, und keiner hält sie auf.
Wenn ich heute, fünf Jahre danach, die Situation betrachte, dann wird mir speiübel. Nichts, aber auch gar nichts, hat sich in der Zwischenzeit getan. Im Gegenteil: Die „Explosion“ hat inzwischen stattgefunden, da nützen auch die vor kurzem ausgegebenen Desinfektionssets nichts mehr.
Vor fünf Jahren war die Krankheit wegen der langen Inkubationszeit noch relativ gesichtslos, heute ist die Verelendung von HIV-Betroffenen in den Knästen nicht mehr so einfach zu kaschieren und zu leugnen. Bis vor kurzem erhielten die Junkies in Tegel wegen ihres schlechten Gesundheitszustandes von Zeit zu Zeit eine hochwertige Aufbaunahrung. Die ist inzwischen gestrichen worden – zu teuer. Statt dessen werden sie nun mit täglich einem Liter H- Milch abgespeist, dazu gibt's dann noch die wöchentliche Zusatzration Frischobst (ein Kilogramm), tegelintern auch „Sterbetüte“ genannt. Und das war's dann.
Was bleibt, ist die Hoffnung, daß all die gnadenlosen DummschwätzerInnen, die einmal im Jahr (bei Rippchen mit Sauerkraut und Friede-Freude-Eierkuchen- Stimmung), die Anstalt besichtigen und aufgrund einer solchen Begehung festen Glaubens sind, die wahren Verhältnisse beurteilen zu können, sich eines Tages für das staatlich unterderhand verordnete Junkie-Euthanasie-Programm zu verantworten haben. Roland Buck, JVA Tegel
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