: Die guten ins Töpfchen, die schlechten ...
■ Im US-amerikanischen Feminismus wird der Streit um Differenzen geführt. Ein Gespräch mit der Philosophin Nancy Fraser informiert über die neuesten Flügelkämpfe.
taz: Welchen Standpunkt beziehen Sie in der Debatte um Gleichheit und Differenz?
Nancy Fraser: In den USA hat sich die Debatte festgefahren. Die Gleichheitsposition nahm das Männliche als Norm, was von der Differenz-Position als androzentrisch kritisiert wurde. Sie wollte dagegen die Anerkennung der Weiblichkeit. Diese entsprach jedoch einem romantischen und stereotypen Bild, nach Ansicht der Gleichheitsposition eine Festschreibung der existierenden geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung. Man hätte die guten Einsichten beider Seiten zu einer neuen Position kombinieren sollen. Aber die Debatte wurde weggeschoben. Ihr Brennpunkt hat sich verlagert. Im Zentrum steht nicht mehr die Differenz zwischen Frau und Mann, sondern die Differenz zwischen Frauen nach „Rasse“, Klasse, Ethnie oder Sexualität.
Dementsprechend hat sich die Debatte verlagert und ein neuer Flügelstreit ist entbrannt. Heute steht der Antiessentialismus dem Multikulturalismus gegenüber. Wie interpretieren Sie diese Debatte?
Die Idee der Antiessentialisten ist, daß alle kollektiven Identitäten, wie Frauen, Schwarze, Lesben, Arbeiter et cetera, im Diskurs konstruiert werden. Sie sind nicht festgelegt, nur weil man eine bestimmte soziale Stellung hat. Dieser Punkt ist absolut richtig. Aber einige Feministinnen haben versucht, aus dieser Position eine dekonstruktive Politik abzuleiten. Dies ist eine Politik, die immer negativ bleibt und kollektive Identitäten nur als repressiv und andere ausschließend ansieht.
Danach ist ein kollektives politisches Subjekt Frau gar nicht mehr denkbar?
In einer Version von Judith Butler, die in Deutschland vielleicht einflußreicher ist als in den USA, bedeutet das, daß Politik nur noch als Geschlechterparodie möglich ist. Diese Position ist zu einfach gedacht. Man kann die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung nicht überwinden, indem man Travestie betreibt. Der Antiessentialismus Butlers nimmt außerdem an, alle Identitäten und Differenzen seien gleichermaßen fiktional, ausschließend und gefährlich. Dadurch beraubt sie uns der Möglichkeit, zwischen emanzipatorischen und nicht-emanzipatorischen Identitätsansprüchen zu unterscheiden.
Sie haben den Multikulturalismus ebenfalls als zu simpel kritisiert. Warum?
Der Multikulturalismus ist eine Position für Koalitionspolitik, die Feministinnen mit Lesben- und Schwulenorganisationen, Afroamerikanern und anderen benachteiligten Gruppen vereinen will. Er beruht auf der Annahme, daß alle Differenzen als positiv anerkannt werden müssen, weil alle einen gemeinsamen Feind in einer Kultur haben, die den weißen, heterosexuellen Mittelklasse-Mann zur Norm hat. Die Multikulturalisten wollen Differenz als wertvolle menschliche Vielfalt verstehen. Auf einer Ebene ist das richtig. Andererseits behandelt der Multikulturalismus alle Differenzen nur als kulturelle und überprüft ihre Beziehungen zur sozialen Ungleichheit nicht. Er trifft ebenfalls nicht die politisch notwendige Unterscheidung zwischen emanzipatorischen und nicht-emanzipatorischen Unterschieden.
Welche Differenzen sind dann emanzipatorisch und welche nicht?
Es ist zum Beispiel unsinnig, Klassendifferenzen zu schätzen. Am anderen Ende stehen ausschließlich kulturelle Unterschiede. Die schwierigen Fälle sind in der Mitte. Was ist, wenn kulturelle Unterschiede mit sozialen Ungleichheiten verbunden sind? Und das ist der Fall im Blick auf viele Geschlechter- oder Rassendifferenzen. In diesem Fall müssen wir einen schwierigen Prozeß der demokratischen Beurteilung durchlaufen, um in der öffentlichen Debatte herauszufinden, welche Differenzen wir wollen und welche nicht. Interview: Mechtild Jansen
Übersetzung: Karin Wördemann / Beate Rössler
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