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Abschiebung aus dem Kinderheim nach China

■ Bayerns Innenminister läßt Jun Jin abholen

Nürnberg (taz) – Jun Jin ist auf dem Weg nach China. Polizeibeamte holten ihn gestern morgen aus dem Kinderheim Bezzelheim in Gunzenhausen ab, um die Abschiebung zu vollziehen. Alle Bemühungen, für den Chinesen eine humanitäre Duldung zu erreichen, waren umsonst. Kurz vor der Abschiebung hatte das bayerische Innenministerium noch für Verwirrung gesorgt. Der Chinese wäre nicht, wie behauptet, 16, sondern schon 19 Jahre alt, sein Vater wäre nicht verschollen, sondern in Shanghai gefunden worden, außerdem wäre der Chinese untergetaucht.

Einen Beweis dafür, daß die Angaben des chinesischen Außenministeriums über das Alter des Chinesen und die Identität des Vaters stimmen, gibt es bislang nicht. Bayerns Innenminister Günther Beckstein vertraut den Daten. Der Chinese hatte dagegen erklärt, sein Vater heiße gar nicht Yongjun Jin, sondern Huan Long. Ein Telefonat zwischen „Vater“ und Sohn zur Klärung der offenen Fragen lehnte Beckstein wegen „technischer Probleme“ ab. Einen Tag vor der Abschiebung trieb das bayerische Innenministerium das Spiel auf die Spitze. Jun Jin sei untergetaucht und daher zur Festnahme ausgeschrieben, vermeldete man. Tatsächlich hatte sich der Chinese in ärztliche Behandlung begeben, kehrte am Abend jedoch mit seinem Vormund wieder ins Kinderheim zurück. Sein Attest über die Reiseunfähigkeit nutzte ihm dann nichts mehr.

Beckstein nutzte die Entwicklung des Falles, um seine Position zu stärken. Zunächst war er zusammen mit der örtlichen Ausländerbehörde wegen der geplanten Abschiebung, die Beckstein jetzt „Familienzusammenführung“ nennt, heftig kritisiert worden. Jetzt wirft der bayerische Innenminister dem Chinesen vor, er habe im Asylverfahren falsche Angaben gemacht und dadurch Kosten „allein für die Unterbringung in dem Kinderheim in Höhe von 60.000 Mark verursacht“. Jun Jin habe die „Hilfsbereitschaft des evangelischen Landesbischofs, des Diakonischen Werkes, der Ausländerbeauftragten der Bundesregierung, der Landtagsfraktion der SPD und anderer schamlos ausgenutzt“. Dieser Fall zeige „exemplarisch, wie vorschnell unberechtigte Vorwürfe gegen die Ausländerbehörden und den Innenminister erhoben“ würden.

Mit diesem Rückenwind konnte es sich Beckstein erlauben einzugestehen, daß eine Duldung des Chinesen durchaus im Ermessen der Ausländerbehörde gelegen hätte. „Ich hätte mir's leichter machen können und eine Duldung bis zu seinem 18. Geburtstag gewähren können.“ Vorher hatte er eine solche Möglichkeit für den 16jährigen vehement bestritten. Bernd Siegler

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