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Georg-Bitter-Trasse per Gerichtsbeschluß

■ OVG schubst Bausenatorin von der Erdbeerbrücke: „Schwarzänderung“ der Planung

Der Bremer Bausenatorin müssen gestern die Ohren geklingelt haben: Das Oberverwaltungsgericht hat der Bauverwaltung Totalversagen in der Verkehrsplanung bescheinigt. In einem Beschluß zur Klage der Bürgerinitiative Stader Straße haben die Richter dem Bauressort sämtliche Sünden bei der Planung und dem Bau der Erdbeerbrücke vorgerechnet. Eine Brücke zu bauen ohne ausreichende Anbindung sei „offenkundig eine problemschaffende Halbplanung“. Wenn das letztendliche Urteil dem folgt, was jetzt der Zwischenbescheid erkennen läßt, dann muß die Stader Straße wieder das werden, was sie einmal war: eine reine Wohnstraße. Dann steht das Bauressort vor der Frage, wo die Autos in Verlängerung der Erdbeerbrücke fahren sollen, und das heißt, entweder der Verkehr auf der Brücke wird reduziert oder es wird doch noch die Straße gebaut, gegen die sich die Verkehrs-Bürgerinitiativen seit Jahren wehren. Das ist die Georg-Bitter Trasse.

Die Vorgeschichte des Rechtsstreits ist schnell erzählt. Beim Bau der Erdbeerbrücke war die Bitter-Trasse als Verlängerung der Brückenführung auf der rechten Weserseite vorgesehen. Doch die kam nicht, da war eine ganze Armada von Verkehrsinitiativen davor. Stattdessen regierte die Macht des Faktischen. Keine Anbindung und keine Verkehrsreduzierung, das hieß, ein gutes Drittel des Verkehrs fließt heute noch durch die Stader Straße. Und das ist eine Straße, die im Flächennutzungsplan als Wohnstraße ausgewiesen ist. Faktisch ist sie Durchgangsstraße, was die Bausenatorin zu der aparten Idee brachte, die Stader Straße auch offiziell in das Netz der Durchgangsstraßen aufzunehmen. Das gefiel dem Gericht besonders gut: Eine „Schwarzänderung“ sei das, analog zu einem „Schwarzbau“. Das Bauressort habe gebaut, aber nur halb, und das sei der Grund für die unerträglichen Zustände in der Stader Straße. „Nicht hinzunehmen“, konstatiert das OVG.

Das Bauressort hatte beim ersten Gerichtstermin am 20. September argumentiert, das hohe Verkehrsaufkommen in der Stader Straße sei eine Folge der insgesamt gestiegenen Verkehrsdichte. Das wischten die Richter vom Tisch. Das Bauressort hätte realistisch planen müssen, ob die Anschlußtrasse durchsetzbar sei. „Kann diese Prognose nicht gestellt werden, ist schon die vorgezogene Teilplanung rechtswidrig.“ Im Klartext: Wer nicht weiß, wie der Verkehr weiterfließen soll, darf auch keine Brücke bauen.

Bis zum 30 November haben alle Beteiligten Zeit, sich zur Auffassung des Gerichts zu äußern. Und das Bauressort muß alle Unterlagen zu Planung und Bau der Erdbeerbrücke herausrücken. Dann will sich das OVG eine abschließende Meinung bilden. Sollte das Gericht weiter seiner Meinung sein, dann steht die spannende Frage an: Georg-Bitter-Trasse oder Verkehrsreduzierung auf der Erdbeerbrücke?

Dazu äußert sich das Bauressort vorsichtshalber nicht. In einer ersten Stellungnahme betreibt Baustaatsrat Jürgen Lüthge stattdessen heftige Richterschelte: Das Gericht würde in gemeindliche Planungshoheit eingreifen. Gewaltenteilung gelte auch für Verkehrsplanung, donnerte der Staatsrat. Nun solle sich der Senat mit dem Problem befassen. Die Initiative Stader Straße begrüßte unterdessen den Beschluß. „Das Gericht hat endlich den Status der Stader Straße als Wohnstraße anerkannt“, freute sich BUND-Referent und Initiativenmitglied Peter Müller. Die Georg-Bitter-Trasse sei gar nicht zwingend nötig. „Das geht sehr wohl mit Maßnahmen der Verkehrsreduzierung auf der Brücke. Außerdem hat der vorsitzende Richter schon beim ersten Termin gesagt: –Dann müssen Sie die Brücke eben abreißen'.“ Jochen Grabler

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