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Höfers Enkel

Der WDR feiert morgen seinen 350. ARD-Presseclub Ein kaum versöhnliches Prosit  ■ von Achim Baum

Wolf Donner charakterisierte die Sendung einmal als einen „Mythos und eine Institution“, als den allwöchentlichen „Festakt, den der gute Deutsche scheinbar als Entree zum Sonntagsbraten braucht“. Gemeint war der „Internationale Frühschoppen“, der Anlaß die tausendste Sendung. Heute, knapp sieben Jahre nachdem die legendäre Werner-Höfer-Runde abgeschafft wurde, weist uns der WDR in einer Pressemitteilung eigens darauf hin, daß die Nachfolgesendung des Frühschoppens, der „ARD-Presseclub“, morgen zum 350. Mal ausgestrahlt wird.

Warum? Die sonntägliche 12-Uhr-Diskussion ist kein Markierungspunkt mehr in der deutschen Fernsehlandschaft, der sonore Bariton von Egon Hoegen verkündet schon lange nicht mehr die schier endlose Zahl der „angeschlossenen Rundfunkanstalten“, keine „sechs Journalisten aus fünf Ländern“ mehr, kein versöhnliches Abschlußprosit des Übervaters mit dem Wein aus der WDR- Kantine. Statt dessen mühen sich wechselnde Moderatoren um ein Profil des „Presseclubs“, das, gemessen am spröden Vorgänger, wie gewöhnlicher Talkshow- Hokuspokus wirkt. So schrumpfte etwa die Studiodeko im Laufe der Jahre von einem anfänglich wilden, wenn auch politisch ausgewogenen Durcheinander etlicher Zeitungsköpfe zu einem nun wieder eher spartanischen Outfit: Zwei Stellwände zeigen jetzt nur noch – sofern das überhaupt zu erkennen sein soll – die fragmentarischen Titel dreier französischer Zeitungen. Kaum wiederzuerkennen ist der Presseclub dagegen, wenn er gelegentlich aus Moskau, Jerusalem oder gar aus Sarajevo kommt. Welchen Gewinn die Verantwortlichen darin sehen, eine Handvoll JournalistInnen durch die Welt zu fliegen, damit sie wieder nur in einem x-beliebigen TV-Studio herumsitzen, bleibt deren Geheimnis. Auf jeden Fall wirkte zumindest die Diskussion der schlecht ausgeleuchteten Schattengestalten im Sendezentrum von Sarajevo (Februar 94) schon deshalb so authentisch, weil das penetrante Brummen eines Notaggregats das Zuhören zum Abenteuer machte.

Der Club-Tourismus ist Teil eines Konzepts, das den alten Frühschoppen vergessen machen soll. Dazu gehört auch die im Zweiwochenrhythmus wechselnde Moderation. Zu Beginn war die Diskussionsleitung aufgeteilt zwischen den beiden damaligen WDR- Chefredakteuren, Dieter Thoma und Rolf Schmidt-Holtz. Während Thoma, wie Höfer ein Radiomann und erfahrener Gesprächsleiter („Kölner Treff“), mit der Nonchalance seines Vorgängers durchaus noch konkurrieren konnte, brachte der alerte Schmidt-Holtz bereits die Sonntagsstimmung durcheinander. So hielt es der Karrieremann mit dem vor Ehrgeiz zitternden Schnurrbart auch kaum ein Jahr beim Presseclub aus. An seine Stelle trat der Chefredakteur jenes Senders, der jegliches ARD- weite Engagement des WDR mit Argwohn beobachtet: Gerhard Fuchs vom BR. Und jeder Zuschauer, der bei einer Totalen den Blick über den unteren Bildrand gleiten läßt, sieht es auf Anhieb: Fuchs sitzt auf einem zu großen Stuhl. Während er mit dem Kopf oben die Fragen formuliert, wackelt er unten mit den Füßen, als würde er sich zu Tode langweilen. Schlapp hängt er im Sessel und richtet seine isolierten Interviewfragen an die einzelnen Teilnehmer der Runde. Eine Struktur in die Argumentationen zu bringen, gelingt Fuchs damit natürlich nur selten. Am Tag der Bundestagswahl bot er auf diese Art diversen Journalisten die Möglichkeit, in letzter Sekunde noch einmal für den Bundeskanzler zu werben. Eine glatte redaktionelle Panne der sonst so auf Ausgewogenheit Bedachten: Gerade am Wahlsonntag wurde Kohl von internationalen Sympathisanten bescheinigt, wie unentbehrlich er sei. Widerworte gab Fuchs nicht.

Auch Fritz Pleitgen, der Dieter Thoma als WDR-Hörfunk-Chef und als Presseclub-Moderator beerbte, wirkt schon seit geraumer Zeit merkwürdig ausgebrannt. Eine Woche vor der Wahl – hier hätte die Frage hingepaßt, was das Ausland von den deutschen Kandidaten erwartet – mußte Pleitgen sich mit dem Thema „Sekten – die letzte Zuflucht?“ herumschlagen. WDR-Intendant Nowottny nennt so etwas den Blick „über den Tellerrand der allgemeinen Themeneinöde“. Dazu gehört wohl auch, wenn Pleitgen zur Einführung ausgerechnet einen Journalisten des Magazins Focus befragt, das nun wirklich nicht durch seine investigativen Leistungen besticht: „Was haben denn Ihre Reporter recherchiert?“ So hätte es Hans Meiser sicher auch gemacht. Bleibt nur zu hoffen, daß der nicht zur tausendsten Sendung des Presseclubs auf dem Moderatorenstuhl sitzt.

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