: Die USA sind an allem schuld
■ Ein Nord-Süd-Projekt analysiert die „demokratische Welle“ in der Dritten Welt
„Demokratie ist die Lösung“ – in diesem Glaubensbekenntnis stimmen seit dem Ende des Kalten Krieges die Basisbewegungen des Südens und selbst ein Großteil der dortigen Eliten überein – während USA, EU und Weltbank ihre „Hilfen“ für die Dritte Welt an entsprechende Konditionen knüpfen. „Soviel Eintracht macht mißtrauisch“, sagte sich dagegen der Politologe Jochen Hippler. Als Direktor des „Transnational Institutes“, eines dezentral arbeitenden Zusammenschlusses von WissenschaftlerInnen und PublizistInnen aus der Dritten Welt, den USA und Europa, hat er jetzt einen Sammelband vorgelegt.
Beschrieben wird vor allem die US-Konzeption von „Demokratisierung“, der es letztlich um kaum mehr gehe als um eine Liberalisierung von Märkten. Marktwirtschaft und Demokratie würden dabei als market democracies faktisch gleichgesetzt. Durch die Schaffung von Rechtssicherheit sowie halbwegs stabilen Staatsstrukturen solle in den Dritte-Welt-Ländern die Entwicklung einer dynamischen Mittelschicht befördert werden, die ihrerseits dann auch Trägerin der demokratischen Strukturen sein könne.
Die Emanzipation der marginalisierten Bevölkerungsmehrheit spiele dagegen in diesen Konzeptionen keine Rolle. Im Gegenteil: Die mittels Strukturanpassungsprogrammen von IWF und Weltbank exekutierte neoliberale Offensive steigere nur die Verelendung der Massen. Was bleibe, sei ein seiner Wohlfahrtsfunktionen entkleideter Staatstorso, dessen Wirtschafts- und Finanzpolitik von den internationalen Finanzorganisationen diktiert werde. Demokratisiert werde dann nur noch die verbleibende „Machtlosigkeit“. Diese Form der „Demokratisierung“ diene vor allem der präventiven Aufstandsbekämpfung, indem systemoppositionelle Kräfte gespalten und Teile davon in mehr oder weniger manipulierte Wahlgänge involviert würden, um damit letztlich halbautoritäre Regime zu legitimieren. Wenn nun aber das Scheitern der Demokratisierungsoffensive quasi vorprogrammiert ist, was ist dann mit der Rechtssicherheit für die Mittelschichten und der Integration von Systemopposition – ist das alles doch nicht so ernst gemeint? Der Band läßt die verschiedenen, nicht durchweg verschwörungstheoretischen Erklärungsmuster recht unvermittelt nebeneinanderstehen.
Neben diesen Querschnittsanalysen enthält das Buch auch sechs Regionalstudien. Diese bieten einige überraschende Übereinstimmungen mit den Analysen der US- Administration, vor allem was die Bedeutung der Mittelschichten für eine Demokratisierung der politischen Kultur und die Einschätzung des aufgeblähten Staates als Entwicklungshindernis (gerade in Afrika) angeht. Leider sind die AutorInnen nicht von gemeinsamen Fragestellungen ausgegangen, was interessanter wäre.
Auch auf der Seite der sogenannten „Demokratieanbieter“ ist die Perspektive des Buches zu eng, zu sehr auf die US-Regierung und die internationalen Finanzinstitutionen IWF und Weltbank fixiert. Warum kommen die ehemaligen Kolonialmächte Frankreich und Großbritannien nur am Rande vor? Gerade Frankreich spielt bei der „Demokratisierung“ in Afrika doch eine zentrale Rolle. Und welche eigenständigen Interessen hat die Europäische Union als mit den USA konkurrierender Wirtschaftsblock? Die Bundesrepublik und Japan werden als eigenständige außenpolitische Akteure nicht einmal erwähnt. Fazit: Ein Reader mit den zwölf Beiträgen hätte gereicht. Christian Rath
Jochen Hippler (Hrsg.): „Demokratisierung der Machtlosigkeit. Politische Herrschaft in der Dritten Welt“. Konkret Literatur Verlag, Hamburg 1994, 240 S., 32 DM
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