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■ Brandenburger Sozis uneins über Länderfusion / Ministerpräsident Stolpe fordert Nachverhandlungen zum Staatsvertrag / Zeitplan fraglich / Berliner CDU verärgert

Brandenburgs Sozialdemokraten sind uneins über die für 1999 angestrebte Fusion von Berlin und Brandenburg. Dies wurde am Samstag in einer emotionsgeladenen und kontroversen Debatte auf einem Kleinen Landesparteitag der SPD in Jüterbog deutlich. Als offen gilt, ob der bisherige Zeitplan zur Fusion eingehalten werden kann. Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) forderte Nachverhandlungen zum Fusions-Staatsvertrag mit Berlin. „Gründlichkeit wird vor Eile gehen müssen.“

Regierungschef Stolpe warnte vor den zwei „Hauptgefahren“ Finanzausstattung und Mehrheitsprobleme. Beides müßte sehr ernst genommen und vor Bildung eines gemeinsamen Landes geklärt werden, sagte Stolpe vor etwa 150 Delegierten. Für Brandenburg sei die Ausgestaltung der internen Finanzbeziehungen im Vertragsentwurf noch unbefriedigend. Die befürchtete Berlindominanz müsse ebenfalls sehr ernst genommen werden. Potsdam als künftiger Regierungssitz müsse festgeschrieben werden.

Stolpe erklärte aber eindeutig: „Es geht nicht um das Ob einer engen Zusammenarbeit, sondern um das Wie.“ Er sagte mit Hinblick auf das in der brandenburgischen SPD umstrittene Fusionsprojekt weiter: „Wir müssen den Bürgern eine Empfehlung geben. Verboten ist uns dabei das vorschnelle offene oder heimliche Nein und das ungeprüfte Ja.“ Die Entscheidungsfrage sei, ob die notwendige Zusammenarbeit besser durch Staatsverträge oder durch ein gemeinsames Land geleistet werden könne.

Sozialministerin Regine Hildebrandt wandte sich in der Debatte gegen die zum Teil „fatale Stimmung“ der Basis. Finanzminister Klaus-Dieter Kühbacher forderte weitere Verhandlungen. Die „übersetzte Berliner Verwaltung“ dürfe nicht festgeschrieben werden. „Wir können kein gemeinsames Land beginnen, in dem über drei Millionen Mark jährlich für den Berliner Personalüberhang ausgegeben werden müssen.“ Auch die DGB-Chefin von Berlin- Brandenburg, Christiane Bretz, kritisierte den Vertragsentwurf.

Einen Fusionsbeschluß will die Partei erst im Frühjahr auf einem Sonderparteitag fassen. Bis spätestens Juni 1995 ist ein Volksentscheid vorgesehen. Nach Brandenburger Vorstellungen soll der Vertrag nach Nachverhandlungen im Januar paraphiert werden. Der Termin gilt in Parteikreisen als äußerst fraglich.

Der Berliner CDU-Fraktionsgeschäftsführer Volker Liepelt wies die Nachforderungen zurück. Damit werde eine „Axt an den Zeitplan zur Länderfusion“ gelegt, sagte er. Offensichtlich habe Stolpe weder seine Partei noch seine Regierung im Griff. Zu dessen Forderung, der Parlaments- und Regierungssitz des vereinten Landes müsse in Potsdam sein, erklärte er, darüber müsse das gemeinsame Parlament entscheiden. Angesichts leerer Kassen sei ein „Protzbau“ in Potsdam unnötig. In Berlin gebe es bereits ein ausreichend großes Parlamentsgebäude. dpa

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