: Wie schält man richtig Kartoffeln?
In den Niederlanden müssen Immigranten künftig einen Einbürgerungsvertrag unterschreiben / Die „Neuen“ werden zu Billigarbeiten und Benimmunterricht verpflichtet ■ Von Jeannette Goddar
In den Niederlanden werden Einwanderer und Flüchtlinge künftig vertraglich verpflichtet, sich einzuleben. Ein sogenannter „Einbürgerungsvertrag“ soll Rechte und Pflichten der Vertragsparteien – des niederländischen Staates und des Zugereisten – regeln. Damit sollen „Neuankömmlinge so schnell wie möglich vollwertige Mitglieder unserer Gesellschaft werden“, erklärte Königin Beatrix.
Sowohl Einwanderer im Rahmen des Familiennachzugs als auch Flüchtlinge mit befristeter Aufenthaltsgenehmigung fallen für drei bis fünf Jahre – je nach „Lernfähigkeit“ – unter ein spezielles Regime mit weniger Rechten und Ansprüchen. Der wohl umstrittenste Teil des Entwurfs verpflichtet sie, für eine Bezahlung unter dem gesetzlichen Mindestlohn zu arbeiten. Insbesondere beim Erhalt und Wiederaufbau alter und verkommener Stadtbezirke in Amsterdam und Rotterdam sollen die Immigranten sich nützlich machen – in Jobs, die Niederländer gerne verweigern.
Auf der anderen Seite des Vertrages steht der Staat, der sich verpflichtet, für eine bessere Integration mehr Kurse zur Verfügung zu stellen. So soll jeder „Neue“ künftig über mehrere Jahre Sprache und Kultur des Landes lernen können – oder müssen.
Bereits in den 50er Jahren wurde den ehemaligen Mitgliedern des Südostindien-Korps (KNIL) – überwiegend Molukkern, die nach der Unabhängigkeitserklärung Indonesiens in die Niederlande geflohen waren – nach ihrer Ankunft unter anderem beigebracht, wie man Kartoffeln schält: die Schneide des Messers zu sich hin und nicht andersrum. Nachdem solche Unterweisungen jahrelang als paternalistisch gegolten hatten, sind Einbürgerungskurse inzwischen eine der wenigen Wachstumsbranchen in den Niederlanden. Aus drei versuchsweise errichteten „Büros für Neuankömmlinge“ im Jahre 1990 waren 1993 bereits 30 geworden; in diesem Jahr wurden bereits 80 neue Anträge gestellt. Die Bereitschaft zur Teilnahme ist groß, und die Wartelisten sind lang.
Bevor die „Neuen“ die Sprache lernen, bieten die Kurse zunächst einen Wegweiser durch niederländische Kultur und Gewohnheiten in ihrer Herkunftssprache: Was bieten die Bezirksämter an, welche Rolle spielt die Königin, wie viele Streifen stemple ich ab, wenn ich mit der Straßenbahn zum Bahnhof fahre? In Rollenspielen wird geübt, daß man sich am Telefon nicht mit „Hallo“, sondern mit dem Namen meldet, wie man sich höflich und nicht barsch beim Arbeitgeber krank meldet, wie ein Antrag auf Kindergeld ausgefüllt wird.
So akzeptiert inzwischen die Kurse „Neu in den Niederlanden“ sind, so umstritten ist der nun beschlossene „Einbürgerungsvertrag“ – er diffamiere Neuankömmlinge als „unmotivierte, arbeitsunwillige Gruppe, die nur durch Zwang zur Teilnahme an der Gesellschaft gebracht werden könnte“, so das NCB in einer Stellungnahme. Noch sind die Kriterien unklar, wann ein Immigrant das „Einbürgerungsprojekt“ erfolgreich hinter sich gebracht hat. Auch über mögliche Sanktionen schweigt sich das Regierungsabkommen aus. Was es allerdings bei Bestehen der Probezeit gibt, ist klar: eine dauerhafte Aufenthaltsberechtigung. Ein „Einbürgerungsvertrag“ im wörtlichen Sinne ist das Abkommen keineswegs.
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