piwik no script img

Zwei schöne Frauen, ein Dildo

■ Warum so zahm, Frau Treut? Ein Gespräch mit einer der drei Regisseurinnen, die unter den nicht ungierigen Augen Hollywoods an dem Projekt "Let's talk about sex" strickten, und sich dabei vom Studio ziemlich..

„Let's talk about sex“ heißt ein Episodenfilm mit Beiträgen von Lizzie Borden, Monika Treut und Clara Law. Die drei Regisseurinnen wollen Angebote zu Sex, Lust und Rollentausch machen. „Let's talk about sex“ hinterläßt einen durchaus zwiespältigen Eindruck. Bordens Kurzfilm weist den Charme von RTL-Mitternachtshöschen auf, addiert dazu Tom of Finnland und wirkt wie eine bebilderte Theorie über weibliche Phantasien. Bei Clara Law wird, sehr episch, mit blauer, verkindlichter Melancholie, bei Monika Treut mit sadomasochistischen Referenzen gespielt. Die Regisseurin Monika Treut („Die Jungfrauenmaschine“, „My father is coming“, „Female Misbehavior“) ist 40 Jahre alt, lebt in New York und Hamburg. Sie gibt Auskunft über diesen seltsamen Film und anderes.

taz: Ihr Beitrag zur taz-Umfrage „Was erregt sie am meisten“, wurde aus der Homo-Taz wegzensiert. Wie schlimm war's denn nun wirklich?

Monika Treut: Das war 'ne ganz banale Orgienphantasie: Zwei schwarze Frauen vergewaltigen eine weiße mit einem Dildo, und die weiße findet das auch geil. Sie spielt Prüderie, das Ganze läuft sehr zärtlich ab. Ich liebe ja Phantasien, die wirklich klare Phantasien sind und nicht erst im Kopf „gemacht werden“.

Und das durfte nicht gedruckt werden?

Ja, albern, was? Was erwartet man denn von mir, wenn man mich fragt, was mich am meisten erregt! Seltsam fand ich, daß bei fast allen abgedruckten Antworten keine sexuelle Konnotation da war, sondern eine sozialkritische. Die erste Bedeutung von Erregung ist doch erotisch-sexuell. Naja. Schade!

Diese Art Zensur hat wohl den Ansatz, daß gewisse Gefühle oder Phantasien reaktionär sind.

Gefühle und Phantasien unterliegen nun mal nicht politischer Korrektheit.

Die Phantasien in Ihrem Beitrag zu „Let's talk about sex“ fand ich aber sehr brav, sehr korrekt: zwei schöne Frauen, ein Mann, Seidenbettwäsche, ein Dildo, ein angedeuteter Dreier im Bus, Flirten auf einem Traumschiff. Warum so zahm?

Was heißt brav! Ich arbeite produktbezogen. Zum einen: Das hier ist ein Spielfilm, der nicht auf Video in der Pornoecke landen sollte, sondern in die ganze Welt verkauft wird. Da sind bestimmte Einschränkungen schon mal von vornherein vorgegeben. Die Idee, drei Regisseurinnen für kurze Filme einzuladen, kam aus Hollywood. Wir Regisseurinnen durften während der Dreharbeiten nicht miteinander in Kontakt treten. Die Sache wurde bis ins Marketing hinein von Hollywood supervisiert.

Darauf haben Sie sich eingelassen!

Das hat mich nicht gestört. Hollywood wollte sogar, daß ich ihnen mehr T&A (Tits and Ass) liefere. Ich habe dann gesagt: Liebe Leute, da ist am Ende nun die Dame mit dem Dildo – die kann nicht mit wackelnden Titten über dem Mann hängen, das verbietet die Würde der Rolle. Das wurde natürlich nicht verstanden, denn es soll halt verkauft werden. Singapur, Korea und trallala – überall wollen sie Titten. Das war hart, aber ich hab mich da durchgesetzt. Zum anderen: Ich wollte mal was Unterhaltendes, Erotisches machen. Ich hab keine Lust, einen richtigen Porno zu drehen.

Warum nicht?

Ich hab mir sehr viele Pornos reingezogen, aus Neugier und analytischem Interesse, und mittlerweile eine gewisse Saturierung erreicht. Es ist fast alles da, zauberhafte Geschichten, auch für Lesben. Die Leute müssen sich nur Mühe geben, das entsprechende Material zu finden. Meine nächste Arbeit hat mit Sex erst mal weniger zu tun – ein Dokumentarfilm über eine Frau mit tausend Biografien. Die ist über 50, arbeitet für Mutter Teresa in einem Hospital, promoviert gerade an der Uni, macht für Christian Dior Modefotos, schreibt Filmkritiken, und manchmal ist sie auch Domina.

„Die Jungfrauenmaschine“ und „Female Misbehavior“ hatten ja auch dokumentarische Züge. Warum aber jetzt diese Präferenz?

Ich finde das reale Leben spannender als Fiktion und bilde mir ein, daß ich das Talent habe, Leute zu finden, die einen Film tragen können. Ich verliebe mich auch in solche Leute. Außerdem liebe ich Dokumentarfilme und sehe in ihnen 'ne künstlerische Perspektive für mich. Es ist natürlich eine bescheuerte Zeit für Dokumentarfilme, weil die Mittel dafür überall weggekürzt werden. Bei „premiere“ hatte ich fast einen Vertrag in der Tasche, aber jetzt machen die nur noch Natur- und Tierfilme. Spielfilm zu machen ist im Moment hirnrissig. Man kann eigentlich nur noch undergroundmäßig arbeiten, in der Liga 300.000 Mark, oder mit viel Geld. Alles dazwischen ist totaler Blödsinn. Man wird immer am Durchschnittshollywood gemessen, und da läuft unter 20 Millionen Dollar nichts mehr. Man verzweifelt.

Sie haben ja lange underground gearbeitet – was möchten Sie denn jetzt?

Ich habe ein geliebtes Projekt: Robert Merles „Die geschützten Männer“ verfilmen. Die Rechte hat mir der gute Robert für wenig Geld überlassen. Ich hab für den Film deutsches Geld aufgetrieben, das verfällt im Juni. Also muß ich schleunigst den amerikanischen Anteil ranschaffen.

Noch mal zur Pornographie. Warum, meinen Sie, wird die zur Ursache von Gewalt gegen Frauen aufgebläht?

Pornographie wird da total überschätzt. Da liegt ein völliger Paradigmenwechsel vor. Was Frauen nach wie vor unterdrückt, ist die Ökonomie und nicht Pornographie. In der Ökonomie sind Frauen nach wie vor das zweite Geschlecht. Das muß sich verändern. Wir leben in einer freien Gesellschaft: Pornographie kann man kaufen, man kann es auch bleiben lassen. Pornographie ist ein Bereich, wo Frauen auch Geld verdienen – das wird gern unterschlagen. Diese lächerliche Kampagne gegen Pornographie, wie McKinnon oder Schwarzer sie betreiben, halte ich für eine völlige Ablenkung vom eigentlichen Kriegsschauplatz.

Feministinnen sind ja nun keineswegs blöd. Warum glauben Sie, daß die auf Ersatzkämpfe reinfallen?

Fanatismus. Pornographie ist unmittelbar sichtbar, und man kann sich emotional prima an ihr aufgeilen. Oder sich erregen. Sie liegt pseudomäßig auf der Hand; man muß nicht sehr viel nachdenken. Es ist der einfachste Weg.

In Ihrem Beitrag zu „Let's talk about sex“ paradieren die Freunde: Schlingensief, Lohmeyer, Eichhorn und in einer Nebenrolle Marianne Sägebrecht. Lust auf Familie?

Man kennt sich halt. Ich verehre Marianne Sägebrecht – das ist eine ganz tolle Frau. Ich wollte immer schon mit ihr arbeiten.

Es gibt da im Film eine Szene, deren Funktion ich nicht kapiere: Zwei deutsche Bierleichen drangsalieren am Bus einen Ausländer.

Ich wollte nicht nur Satinbettwäsche im luftleeren erotischen Freiraum. Die Szene ist ein Einsprengsel von Realität, ein Stückchen Deutschland. Sie hat ja auch eine schwule Komponente. Wenn man 28 Minuten hat, kann man vieles nur antippen. Das ist auch frustrierend. Aber der Film ist o.k. Er erfüllt seine Funktion: Liberalisierung, Lust, Humor, ein paar Angebote. In San Francisco ist der Film toll angekommen. Nur die Hongkong-Sache von Clara Law nicht – das war den meisten Schwulen und Lesben zuviel hetero. Gespräch: Anke Westphal

„Let's talk about sex“, Regie: Lizzie Borden, Monika Treut, Clara Law. USA 1994, 90 Minuten

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen