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Nur die Straßennamen blieben

■ Was heißt Frieden in Mosambik? In der Hauptstadt lautet die Antwort: Ein leichtes Lebensgefühl, das die Geschichte verdrängt

Maputo (taz) – Die Kassiererin zum „Museum der Revolution“ muß erst einmal gesucht werden. Besucher sind in dem unscheinbaren Gebäude an der „Avenida 24 de Julho“ selten geworden. Vier Stockwerke voller Erinnerungen an den Unabhängigkeitskampf Mosambiks gegen Portugal und die ersten Jahre der Volksrepublik: altertümliche Waffen, verwaschene Schwarzweißfotos, die Uniformen der Führer der Befreiungsbewegung „Frelimo“. Aber die Mosambikaner interessieren sich schon lange nicht mehr für die Reliquien einer Zeit, die mit den heute beginnenden Wahlen endgültig begraben werden soll.

Die Straßennamen der mosambikanischen Hauptstadt Maputo klingen wie aus dem Geschichtsbuch der Weltrevolution. Aber in der Avenida Ho Tschi Minh haben sich mittlerweile Modeboutiquen mit dem letzten Schrei etabliert; auf der Avenida Mao Tse Tung tummeln sich die Sprößlinge der Elite mit ihren aus Südafrika importierten BMWs.

„Vor zehn Jahren war Maputo sauberer als heute, die Verwaltung klappt nicht, die Infrastruktur verfällt“, sagt Fernando Lima, dessen Großeltern einst nach Mosambik einwanderten, „aber vor zehn Jahren war alles rationiert.“ Zwei Jahre ist es her, seit sich die einst streng nach Moskauer Vorbild orientierte Regierungspartei Frelimo vom real existierenden Sozialismus verabschiedete. Maputo, die tropische Hauptstadt an der Küste des Indischen Ozeans, hatte sich zu dem Zeitpunkt längst auf den Weg zu einer pulsierenden Metropole mit Cafés und Diskotheken gemacht.

Schon vor der Unabhängigkeit 1975, als Maputo noch Lourenco Marques hieß, galt Mosambik als „liberale portugiesische Kolonie“. Hierhin flüchteten sich die Dissidenten, die in ihrem Heimatland die harte Hand der Salazar-Diktatur fürchten mußten. Sie brachten eine Freiheitskultur mit, die noch heute allgegenwärtig ist. Uhrzeiten, Termine sind nicht so wichtig, unendliche Schwätzchen über Nichtigkeiten genießen Priorität.

Der neueste Schrei in Maputo sind Kneipen in den „Canicos“ – den Schilfrohrvororten rund um die „Zementstadt“, wie der Stadtkern aus Betonbauten heißt. In der „Galeria Noe“, einem kleinen Haus irgendwo in den verwinkelten Gassen der Vororte, lauschen sie Jazz mit südafrikanischen Einflüssen. Aus dem „Clube Kawona“ dröhnen westafrikanische Rythmen, Reggae und manchmal auch etwas Rock über die Hütten der Slums. Im „Sheik“ nahe dem malerisch über der Küste liegenden Hotel Polana geben sich Maputos Jungunternehmer ein Stelldichein. Am „Piri-Piri“, günstig an der Ecke der „24. Juli“ und der Avenida Julius Nyerere gelegen, ist in der Abenddämmerung das erste Bier des Tages fällig.

„Maputo hat mit Lourenco Marques nichts mehr zu tun“, sagt zwar der Geschäftsmann Marco Teixera, „damals war es die ideale Stadt der Kolonie: sauber, gepflegt.“ Aber mit der Marktwirtschaft geht eine Reastaurierung alter sozialer Verhältnisse einher. Nach dem Abzug der Portugiesen standen 1976 die „Zementstädte“ leer. Die Regierung verstaatlichte die Häuser, und gegen geringe Mieten zogen Bewohner der Vorstädte ein. Inzwischen verkaufen sie ihre „Schlüssel“ zu diesen Wohnungen; vom Erlös erstehen sie sich anschließend ein Grundstück oder ein Hütte in den Canicos. Platz genug gibt es. Denn mit dem Ende des Krieges 1992 zogen viele der Flüchtlinge, die in der 1,5 Millionen Einwohner zählenden Hauptstadt Zuflucht gesucht hatten, wieder in ihre Heimatdörfer. Der Käufer eines Zementstadt- „Schlüssels“, meist Mitglied der neuen Mittelklasse, zahlt nicht nur Miete, er kann auch für die Instandhaltung und die Stromkosten aufkommen und, wenn er will, die Wohnung oder das Haus kaufen.

Die Inder, überall in Afrika als Geschäftsleute so geliebt wie verachtet, kontrollieren wieder einen großen Teil des Handels. „Das sind die Leute, die arbeiten“, sagt Marco Teixera. Den Preis, davon ist der Geschäftsmann überzeugt, werden sie jedoch irgendwann zahlen müssen: „Die Inder werden immer angegriffen werden, weil sie Geld haben und ihre Geschäfte familienbetrieben sind.“

Das ist nicht die einzige Sorge in Maputo. In den Straßen türmt sich auch der Abfall, Kriegskrüppel versuchen sich mit Betteln über Wasser zu halten, die Straßenprostituion floriert. Auch die Idylle im „Piri-Piri“ kann täuschen. Im September wurden drei Menschen in der Kneipe erschossen – Gerüchten zufolge von gedungenen Killern. Um die Ecke, in dem für seine Shrimps berühmten „Pequim“, erleichterten vor wenigen Tagen drei Männer mit Hilfe von automatischen Gewehren die Gäste um ihre gesamte Barschaft und ihren Schmuck. Wie gefährlich das high life ist, weiß mittlerweile jeder. Eine Fernsehantenne auf dem Hausdach nennt der Volksmund „Ruf den Dieb“; Autos der Marke Toyota Corolla heißen schlichtweg und einladend „Take Away“. Willi Germund

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