: Wohin mit dem sozialen Wohnungsbau?
■ Die FDP setzt auf Kahlschlag, die SPD erhöht die Einkommensgrenzen, und die Bündnis 90/Grüne fordern den Wiedereinstieg in den kommunalen Wohnungsbau
Daß der soziale Wohnungsbau in seiner bisherigen Form ein Faß ohne Boden ist, wird heute kaum noch jemand bestreiten. Mit etwa 700.000 Mark im Bindungszeitraum subventioniert die öffentliche Hand zum Beispiel in Berlin jede Wohnung im sogenannten „ersten Förderweg“ – dem klassischen sozialen Wohnungsbau. Bund und Länder übernehmen je etwa zur Hälfte die Differenz zwischen der wegen der Bau- und Grundstückspreise extrem hohen Kostenmiete des Bauherrn (derzeit etwa 40 Mark je Quadratmeter) und der von Mietern zu entrichtenden Sozialmiete von etwa sechs Mark je Quadratmeter kalt und ohne Betriebskosten. Im zweiten Förderweg schießt die öffentliche Hand etwa 300.000 Mark zu, die Mieten bewegen sich dort zwischen 9 bis 18 Mark kalt. Der Neubau einer deutschen Sozialwohnung kostet im Durchschnitt immer noch 500.000 Mark.
Daß es nach wie vor einen Bedarf an Sozialwohnungen gibt, weiß Achim Großmann, wohnungsbaupolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Die von Bauministerin Schwaetzer gefeierte Verdreifachung des sozialen Wohnungsbaus fällt kaum ins Gewicht, weil jährlich etwa 120.000 Wohnungen aus der Sozialbindung fallen und die Mieten von den Eigentümern drastisch erhöht werden können. „Hatten wir 1987 noch vier Millionen sozial gebundene Wohnungen“, meint Großmann, „sind es heute noch 2,7 Millionen.“
Wie lauten die Alternativen zu den bisherigen Förderwegen? Eigene Konzepte zur Reform des sozialen Wohnungsbaus ließ die SPD bisher vermissen. So fällt dem Berliner Bausenator Wolfgang Nagel (SPD) nichts anderes ein, als die Mittel des ersten Förderwegs zugunsten des zweiten Förderwegs umzuschichten, „um mehr Sozialwohnungen zu bauen“ sowie die Einkommensgrenzen zu erhöhen. Eine „unsoziale Prioritätensetzung“, wie die Berliner Grünen meinen. Insbesondere bezahlbare Wohnungen seien es, die in Berlin fehlten. Beim zweiten Förderweg streue der Senat hingegen Geld unter Leute, „die es wahrlich nicht nötig haben“. Das gilt zumindest für die Begüterten unter den so geförderten Mietern: Im ersten Förderweg liegt die Einkommensgrenze für Alleinstehende bei 23.000 Mark im Jahr, im zweiten bei über 50.000. Die bündnisgrüne Opposition an der Spree will daher alle Mittel auf den klassischen sozialen Wohnungsbau konzentrieren und statt dessen bei der Förderung der Eigentumsmaßnahmen sparen.
Die bündnisgrüne Bundestagsabgeordnete und Bauexpertin Franziska Eichstätt fordert eine grundlegende soziale Neuorientierung in der Wohnungsbaupolitik. Steuervorteile sollten nicht wie bisher bereits für das Investieren an sich gegeben werden, sondern sie müßten an soziale Ziele gebunden werden. Aber auch sie räumt ein, daß ohne eine Bodenreform in den Ballungsgebieten billigeres Bauen kaum machbar sei. Anders als das „wohnungsbolschewistische Wien“ (FAZ) betreiben die deutschen Großstädte das Gegenteil. Leere Grundstücke werden verkauft, um leere Kassen zu füllen und müssen bei späteren Bauvorhaben als gestiegener Kostenfakor wieder subventioniert werden.
Für eine Renaissance des weitgehend verkümmerten kommunalen Wohnungsbaus treten daher die Grünen ein, die sich auf eine Studie der Soziologin Ruth Becker berufen. Mit den Städten und Gemeinden als Bauträgern könnten nicht nur die Kostenmieten gesenkt und die Selbstbedienungsmentalität privater Bauträger eingeschränkt werden. In der Studie heißt es auch: „Auf lange Sicht wäre der kommunale Wohnungsbau für die öffentliche Hand günstiger als die bisher üblichen Förderformen“ und biete überdies eine „sozialpolitische und nicht nur eine marktpolitische Perspektive“. Uwe Rada
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