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Zwischen Formel 1 und Fußball

■ Volleyball boomt in Brasilien, aber noch hat es nicht ganz gereicht: Im WM-Endspiel gab es eine saftige 0:3-Niederlage gegen die kubanische Frauschaft

München (taz) – Als alles vorbei war, sind von überallher die Männer und Frauen mit den Kameras und Mikrofonen herbeigeeilt und haben von der Angreiferin Ana Moser wissen wollen, warum die brasilianischen Volleyballerinnen gegen die kubanischen verloren haben. Wo doch alle gehofft hatten, Brasilien würde bei der WM triumphieren, daheim in São Paulo, getrieben von 25.000 singenden, tanzenden Zuschauern in Gelb und Grün. Tja, hat Ana Moser gesagt, alles schön und gut, die Leute, die Stimmung: „Aber die Kubanerinnen haben eine Mauer aufgebaut. Da sind wir nicht durchgekommen.“ Eine lebende Wand reckte sich empor hinter dem Netz, wann immer die Brasilianerinnen den Ball mit Macht ins Feld der Kubanerinnen schmettern wollten. Als letzte hat sich Brasiliens Nummer 12, Edna genannt, versucht – mit Mut und Verzweiflung. Aber da standen Magaly Carvajal und Regla Torres schon in der Luft, beide 190 Zentimeter lang von der Sohle bis zum Haupt, und blockten den Ball zurück ins brasilianische Feld. Dann war Schluß, die Kubanerinnen haben das WM- Endspiel 3:0 (15:2, 15:10, 15:5) gegen Brasilien gewonnen, und die Verliererinnen sind so enttäuscht gewesen, daß sie furchtbar geweint haben und noch ganz erledigt waren, als der Weltverbandspräsident Ruben Acosta ihnen den Pokal für den zweiten Platz übergeben hat.

Vielleicht haben die Erwartungen der Menschen die jungen Frauen zu sehr bedrückt. Seit Wochen sind die Volleyballerinnen, Profis allesamt, erstes Thema in den bunten Blättern Brasiliens, das Fernsehen war bei jedem Trainingsspiel dabei und auch die Fans. Nicht so viele wie bei den Männern – da haben sich neulich bei einem Konditionslehrgang 6.000 neugierige Menschen versammelt –, aber doch jede Menge.

Es ist nämlich so, daß Volleyball in Brasilien immer populärer wird, seitdem die Männer vor zehn Jahren einigermaßen überraschend Silber bei den Olympischen Spielen in Los Angeles gewonnen haben. Der Boom wird gesteuert von Carlos Artur Nuzman, der der nationalen Volleyballföderation vorsteht und als kommender Präsident des NOK gehandelt wird. Nuzman, ein Mann mit besten Kontakten zu Wirtschaft und Politik, hat es geschafft, daß sich Volleyball eine geräumige Nische in der Glitzerwelt des Sports zwischen Fußball und Autorennen eingerichtet hat. Big spender drängeln, eine brasilianische Bank wirbt auf den Trikots der NationalspielerInnen, füllt dafür die Kassen des Verbandes und sorgt sich um die positive Außenwirkung des brasilianischen Volleyballs. Bei der Männer-WM in Athen zahlte die Bank einer Hundertschaft von Fans Flug, Kost und Logis, Pauken und Trompeten; damit haben die ordentlich Krach gemacht, das Ausscheiden des Teams bereits im Viertelfinale allerdings auch nicht verhindern können.

Die Männer hatten ihr großes Erlebnis zwei Jahre zuvor in Barcelona: Goldmedaille bei Olympia. Alles ist gerichtet, damit die Frauen das spätestens im Jahre 2000 in Sydney nachholen können. Volleyball-Akademien haben die Brasilianer gegründet, in denen Nachwuchsspielerinnen – betreut von Trainern, Lehrern, Ärzten, Psychologen, Gynäkologen – Körper und Geist schulen können, im ganzen Land ziehen Emissäre auf der Suche nach Talenten umher. Weil eifrig üben muß, wer es im Volleyball zu etwas bringen will, schinden sich schon 16jährige vier Stunden am Tag, im Trainingslager der Nationalmannschaft acht Stunden. Das ist fast soviel, wie den Kubanerinnen abverlangt wird an Einsatz zum Wohl von Volk und Vaterland, aber es wird den Brasilianerinnen wenigstens ein kleiner Trost sein, daß sie, anders als die Frauen von der Insel, sich nicht vorsehen müssen vor der Verderbtheit des Kapitalismus. Zuspielerin Fernanda Venturini und Angreiferin Ana Paul hat ihre Popularität zum Beispiel die Ehre eingetragen, als Fotomodell arbeiten zu dürfen. Im Nebenjob, versteht sich. Holger Gertz

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