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Der Müll in den Köpfen

■ Fachtagung: Nur Umdenken hilft gegen die Müllawine

Wirkliche Veränderungen der Müllpolitik in Deutschland beginnen mit radikalen Fragen nach der Zukunft der müllproduzierenden Gesellschaft: Nicht nur wie Produkte hergestellt werden, sondern ob sie überhaupt in dieser Form und Stückzahl gewollt und erträglich sind. Denn der jahrelange Eiertanz um den Grünen Punkt hat vor allem eine Umdefinition von „Abfall“ in „Wertstoff“ bewirkt – und trotz aller Entsorgungs- und Verwertungsangebote den Bremer Hausmüll um 10 Prozent vermehrt.

Was tun war also die Frage des Fachtages „Abfallvermeidung: Dammbau gegen Stoffströme“ der grünen Bürgerschaftsfraktion gestern in der Bürgerschaft. Lisa Hackstein, umweltpolitische Sprecherin der Grünen, mahnte angesichts vier weiterer magerer umweltpolitischer Jahre eine Vorreiterrolle der Nordländer im Umweltschutz an. Staatsrat Manfred Morgenstern klagte für seinen Chef das Ziel „Abfallvermeidung“ aus dem Koalitionsvertrag und eine „ressortübergreifende Kooperation“ ein – die allerdings wird gerade zwischen den parteipolitischen Streitigkeiten um die 35-Liter-Tonne zerrieben.

„Unter Abfallvermeidung verstehen die einen seine Verwertung, die anderen dagegen die Verhütung der Entstehung von Abfall“, faßte Agnes Bünemann von der Beratungsgesellschaft „cyclos“ aus Osnabrück die verschiedenen Standpunkte zusammen. Sie hatte zwei Strategien anzubieten: Die erste sieht Änderungen im Materialeinsatz und in der Produktion vor, Recycling bei der Herstellung, produktintegrierten Umweltschutz, „die systemkonforme Variante“. Die zweite Strategie dagegen stößt eine Diskussion darüber an, welche Produkte überhaupt machbar und wünschenswert sind. „Diese Strategie sagt, ich will weniger Autos oder Fernseher produziert sehen.“ Alternativprodukte gebe es längst, aber niedrige Rohstoff- und Energiepreise und fehlende Standards ließen sie nicht hochkommen. Unternehmen müßten weniger produzieren und Teile ihrer Belegschaft mit Dienstleistungen wie Reparaturen beschäftigen. „Mercedes müßte weniger Autos mit weniger Menschen produzieren und stattdessen zum Beispiel ins Leasing-Geschäft einsteigen.“ Konkret könne Bremen die Abfallabgabe zur Lenkung in diese Richtung nutzen, im Beschaffungswesen solche Produkte bevorzugen oder einen Wegweiser für Dienstleistungen auflegen, meinte Bünemann. bpo

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