piwik no script img

Black & white – Geschichten aus dem neuen Südafrika Von Johannes Dieterich

David dehnt seinen kurzen Oberkörper nach hinten und schlägt auf. Obwohl seine Michelin-Männchen-Figur viel zu oft ins Leere kullert, liegt David punktemäßig vorn: Militärische Disziplin schüzt ihn vor einer Generalabfuhr. Tief in seine Stirn hat er sich eine Kappe gezogen, darunter eine dunkle Sonnenbrille, gefolgt von einem Rauschebart: Von Davids Gesicht ist nur noch ein Stück Nase zu sehen. Volltarnung. Wann immer ein verdächtiger Mensch den Tennisplatz passiert, muß ich laut und in deutsch den Spielstand kommentieren, während mein sprachschatzarmes Gegenüber nur immer wieder „eins, zwei, drei, vier, eins, zwei, drei, vier“ erwidert.

Man schreibt das Jahr 1991. Südafrika ist auf dem Weg zur Demokratie, doch der Weg ist noch ein Urwaldpfädchen. Obwohl die ANC-Führung bereits mit der weißen Minderheitsregierung verhandelt, wird Ronnie Kasrils, Chef des Abwehrdienstes der ANC-Armee und Politbüromitglied der Kommunistischen Partei, noch steckbrieflich gesucht: Der weiße Renegat soll einen revolutionären Umsturz vorbereitet haben. Einer seiner Freunde wurde bereits gefaßt und eingesperrt, zwei weitere verschwanden spurlos. Ronnie tauchte ab – und als David in meiner Wohnung auf. Wie es dazu kam, das weiß der Himmel. Daß es dabei blieb, war vor allem meinem Tennisschläger, der schwäbischen Spätzlemaschine und einem stets wohlsortierten Kleiderschrank zu verdanken. Zum Ausgleich bekam der Schreiberling, weswegen er in erster Linie nach Afrika gezogen war: Geschichten und heiße Abenteuer. „Vorsicht, Kasrils ist bewaffnet und gefährlich“, warnte ein Nachrichtensprecher im TV: Ich fühlte mich bereits als Bonsai- Schindler. Ein volles Jahr lang dauerte das romantische Rebellenleben an. David versprach, den Kommunismus niemals zu verraten, ich kochte ihm zur Anerkennung noch ein Abendessen mehr. Als er sich zum erstenmal wieder in der Öffentlichkeit blicken ließ, mußte er sich Hemd und Schlips ausleihen: Niemals, versprach Romantik-Ronnie, werde er zu einem jener Berufspolitiker verkommen.

Vorige Woche im Vorzimmer des Vize-Verteidigungsministers der neuen Republik Südafrika. Generäle geben sich die Klinke in die Hand. Schließlich wird auch der deutsche Schreiberling verhört und vorgelassen. Minister Ronnie steht im Anzug hinter seinem Schreibtisch: Ohne Kappe, Brille und Bart, aber noch schwerer – eine beachtliche Figur. Hinter ihm hängen Bilder von der weißen Burenarmee im Kampf gegen schwarze Terroristen: Er habe bloß noch keine Zeit gefunden, die Blut-und-Boden-Aquarelle auszutauschen, versichert Ronnie leicht verlegen. Der Minister ist im Streß. Die ANC-Regierung will den Export von Waffen „Made in SA“ verdreifachen, und die Marine drängt energisch auf den Erwerb von Kriegsschiffen im Wert von mehr als einer Milliarde Mark. Vor kurzem noch hielt Ronnie das für eine Schnapsidee. Doch heute weiß er ganz genau, wofür die Kanonenboote dringend nötig sind: zum Schutz der Fische nämlich. Noch streiten sich Deutschland, Frankreich und die Spanier, wer die Schiffe bauen darf, erzählt mir Ronnie streng vertraulich. Dann ist die Zeit vorbei, die Audienz beendet. Draußen im Vorzimmer wartet schon der spanische Botschafter. Bye-bye, Ronny ...

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen