: Jahrelang ins Bett gepinkelt?
■ Ein Dia-Vortrag des FFGZ klärt auf
taz: Ihr seid 1987 mit dem Vortrag über die Klitoris auf Tournee gegangen. Wie haben die Frauen reagiert?
Petra Bentz: Wir haben angefangen in Süddeutschland, haben die Dias in verschiedenen Frauencafés und -zentren gezeigt, auch in kleineren Städten wie Ulm oder Sindelfingen. Der Vortrag hat eingeschlagen wie eine Bombe. Die Frauen haben festgestellt, daß sie von ihrer eigenen Physiognomie eigentlich keine Ahnung haben.
Obwohl die Frauengesundheitsbewegung damals schon 13 Jahre alt war?
Das ist auch heute noch so, daß viele Frauen Schwierigkeiten haben, die eigene Sexualität zu benennen und darüber zu reden. Noch immer glauben Frauen, daß Männer mehr haben, weil bei ihnen biologisch alles eindeutig ist. Wir wollen den Frauen vermitteln, daß sie zum Beispiel auch Schwellkörper haben.
Ein Bestandteil der Dia-Serie ist die weibliche Ejakulation.
Auch diesbezüglich gibt es bis heute ein starkes Wissensdefizit. Es melden sich im Anschluß an den Vortrag immer wieder Frauen zu Wort, die das bei sich selber bemerkt haben und sich nicht getraut haben, darüber zu reden. Die sind dann immer völlig erleichtert, weil sie jahrelang gedacht haben, sie pinkeln ins Bett.
Was ist mit den anderen? Haben die dann das Gefühl, etwas zu vermissen?
Das versuchen wir auf jeden Fall zu vermeiden. Wir wollen keine neuen Normen aufstellen. Für mich ist es unsinnig, wenn jetzt die Frauen alle anfangen, den G-Spot zu suchen, weil sie glauben, sonst fehlt ihnen etwas. Wir versuchen zu vermitteln, daß die Vagina ein sehr komplexes Gebilde ist und daß jede Frau selbst herausfinden muß, was ihr am meisten Spaß macht.
Auch Penetration ist nicht mehr pfui.
Nein, die Einteilung in klitoralen und vaginalen Orgasmus ist ziemlicher Quatsch. Das sind ja nicht zwei Punkte, und dazwischen ist nichts. Die anfängliche Radikalität der Frauenbewegung war ja auch nur eine Reaktion auf den Mythos, daß allein Penetration das einzig Wahre ist. Das hat sich mittlerweile natürlich geändert.
In letzter Zeit wird in feministischen Kreisen wieder viel über Sex geredet, was die Medien dankbar aufgreifen. Wird dadurch nicht auch Leistungsdruck erzeugt?
Das stimmt. Heute müssen Frauen nicht nur Spaß beim Sex haben, sondern auch einen Orgasmus haben. Sex gilt als das letzte Natürliche und wird nicht als gesellschaftlich produziert erkannt. Sex ist heute so eine Art letztes Rückzugsgebiet, wo alle Sehnsüchte erfüllt werden sollen.
Petra Bentz ist Sozialpädagogin und Beraterin im FFGZ.
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