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Fälscher in der Ausländerbehörde?

■ Palästinenser sollte mit falschen Papieren abgeschoben werden / amnesty international: Ihm droht Haft im Libanon

Besorgt die Ausländerbehörde falsche Papiere, um Ausländer schneller abschieben zu können? Dieser böse Verdacht drängt sich angesichts der Geschichte des jungen Palästinensers Fathi I. auf. Weil staatenlos und ohne Paß, versuchte ihn die Behörde am Donnerstag letzter Woche mit einem Auszug aus dem libanesischen Geburtsregister als einzigem Identitätspapier ins Flugzeug Richtung Beirut zu setzen. Auf dem Papier, so bezeugten ein Mitarbeiter der Fluggesellschaft Middle East und später auch ein Mithäftling in der Abschiebehaft, sei jedoch ein anderer Name verzeichnet. Außerdem sei die Nationalität des staatenlosen Mannes als libanesische ausgegeben worden.

Middle East weigerte sich, den unfreiwilligen Passagier mitzunehmen: Man befürchte, ihn unentgeltlich nach Deutschland zurücknehmen zu müssen, wenn ihm deswegen die Einreise verweigert werde. Ein zweiter Abschiebeversuch via Polen und Rumänien wurde am Montag noch auf dem Weg zum Flughafen abgebrochen. Weil der Flughafensozialdienst und die „Initiative gegen Abschiebehaft“ hartnäckig dem Mann hinterhertelefonierten? Oder weil die Exekutoren der Abschiebung doch noch Skrupel bekamen?

Der 20jährige Familienvater, der mit seiner Frau und seiner vier Monate alten Tochter in Berlin lebt, war hier mit einem Asylantrag gescheitert. Er gehört zu jenen rund 30 Palästinensern, die seit Monaten bloß deshalb im überfüllten Abschiebeknast schmoren, weil die Bürokratie ihnen keinen Paß ausstellt. Palästinenser aus dem Libanon, bestätigten das Deutsche Rote Kreuz und die UN- Flüchtlingsorganisation UNHCR der taz, haben größte Schwierigkeiten, Einreisedokumente zu bekommen. Der Hintergrund: Die Regierung des mühsam befriedeten Landes befürchtet ein Wiedererstarken der PLO.

„Wenn keine Papiere besorgt werden können, müssen die Leute geduldet und dürfen nicht über Monate hinweg in Haft gehalten werden“, fordert UNHCR-Sprecher Stefan Telöken. Auch das Ausländergesetz sieht eine Duldung vor, wenn ein Abschiebehindernis – in diesem Fall die Nichtexistenz von Papieren – besteht. Die Verwaltungsrichter interpretieren die Vorschrift jedoch je nach Gesinnungslage höchst unterschiedlich. Im Falle von Fathi I. wiesen sie einen Antrag seines Anwalts ab, den Mann nicht vor Erhalt gültiger Papiere abzuschieben; über seine nachfolgende Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht ist noch nicht entschieden.

Tag für Tag muß Fathi I. nun zittern, ob man ihn heute vielleicht erneut ins Flugzeug verfrachten will. „Hier werden Menschenrechte mit Füßen getreten“, schimpft sein ebenfalls hier lebender Bruder, der Schlimmstes befürchtet: „Im Libanon droht ihm Gefängnis, dort gibt es kein Pardon.“ Daß diese Gefahr besteht, bestätigen sowohl die Rückkehrhelfer des Deutschen Roten Kreuzes als auch amnesty international. „Die Einreise in den Libanon ohne Ausweispapiere ist illegal“, heißt es in einer ai-Stellungnahme von Ende 1992. Seit Anfang des Jahres 1992 habe man vermehrt von Palästinensern gehört, die deswegen „in Haft genommen wurden“.

Die „Initiative gegen Abschiebehaft“ befürchtet noch ein weiteres: Möglicherweise habe Fathi I. als Testfall dienen sollen, ob solche Palästinenser ohne Papiere postwendend nach Deutschland zurückgeschickt werden. Wenn der Abgeschobene eingelassen worden wäre, hätten die anderen aus der hiesigen Abschiebehaft schneller nachgeschoben werden können. Zumal die palästinensischen Häftlinge dort keine Ruhe geben und für Montag einen neuen Hungerstreik planen. Ute Scheub

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