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Unternehmen ökologisch bewerten

■ Öko-Rating, in den USA erprobt, beginnt auch in Deutschland Fuß zu fassen / Das ökologische Verhalten von Unternehmen wird von unabhängiger Seite geprüft und dient auch als Invest-Kriterium

Umweltschutz wird zunehmend zum Wettbewerbsfaktor: Die Gunst der Konsumenten und der Öffentlichkeit hängt oftmals vom ökologischen Engagement eines Unternehmens ab. Auch die Beziehung von Unternehmen zur Konkurrenz, zu Lieferanten, Kredit- und Kapitalgebern wird immer mehr von ökologischen Aspekten beeinflußt.

Doch gleichzeitig wird das Defizit an glaubwürdiger umweltbezogener Information größer. Oft wird Umweltschutz als PR- und Marketing-Gag mißbraucht, ohne daß tatsächlich ökologische Bemühungen im Unternehmen dahinterstehen. Die Mehrheit der Bundesbürger allerdings ist mit dieser Informationspolitik unzufrieden, wie eine repräsentative Untersuchung von imug und emnid im Herbst 1993 zeigte. Demnach bezeichnen sich 54 Prozent der Befragten hinsichtlich des sozialen und ökologischen Verhaltens von Unternehmen als „schlecht oder sehr schlecht“ informiert.

Deshalb wird, was bei Produkten und Dienstleistungen seit längerer Zeit gewährleistet ist, für Unternehmen immer wichtiger: Ein Öko-Unternehmenstest von unabhängiger Stelle als vergleichende Bewertung der ökologischen Dimension unternehmerischen Handelns.

Ähnlich der Informationspflicht über die wirtschaftliche und finanzielle Lage von Unternehmen muß das Verhalten gegenüber der Umwelt zum Bestandteil der Bewertung werden.

Um dieses Ziel zu erreichen, kommt der unabhängigen ökologischen Bewertung von Unternehmen – dem sogenannten Öko-Rating – eine Schlüsselrolle zu. Die Öffentlichkeit wird von neutraler Seite mit umweltrelevanten Informationen über Unternehmen versorgt. Folge: Das öffentliche Bewußtsein wird geschärft, und Unternehmen werden zu weitaus größeren Anstrengungen im Bereich des Umweltschutzes veranlaßt. „Wurden früher die meisten Umweltschutzmaßnahmen aufgrund gesetzlicher Auflagen ergriffen, so sollen zukünftig Umweltschutzmaßnahmen aus dem unternehmenseigenen Interesse nach Akzeptanz bei den Käufern und Nachfragern erfolgen“, so Andreas von Saldern und Markus Powell von der Unternehmensberatung Arthur D. Little.

Daß ein derartiger öffentlicher Druck tatsächlich zu einer Verbesserung des betrieblichen Umweltschutzes führen kann, verdeutlicht eine Studie des General Accounting Office aus den USA, derzufolge mehr als die Hälfte der befragten US-Unternehmen nach eigenen Angaben aufgrund der Veröffentlichung ihrer Umweltdaten emissionsmindernde Maßnahmen durchgeführt hatten.

Auch nach einer Untersuchung der Forschungsstelle für Umweltpolitik der Freien Universität Berlin über die Einflußfaktoren von betrieblichen Umweltschutzverbesserungen anhand von 24 konkreten Erfolgsfällen stellte sich heraus: „Es kommt weniger darauf an, ob eine Umweltverbesserung über Abgaben, neue Grenzwerte oder Kooperationszwang zwischen Partnern erreicht wird, sondern eher darauf, unter welchen Bedingungen dies geschieht. Wirtschaftliche Krisenzeiten hemmen den Erfolg von Umweltschutzmaßnahmen, öffentlicher Druck und spektakuläre Aktionen von Umweltgruppen dagegen können gegebenenfalls auch einem ,falschen‘ Instrumentarium zur Wirksamkeit verhelfen“, so Projektleiter Martin Jänicke.

Auch Unternehmen haben normalerweise ein starkes Interesse an Öko-Rating und einer systematischen Erhebung, Auswertung und Aufbereitung umweltbezogener Unternehmensdaten, um diese in komprimierter Form der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Denn schließlich erhalten sie dadurch die Chance einer externen Zertifizierung ihres ökologischen Engagements. Insgesamt müssen die Umweltinformationen einfach zugänglich sein und einer großen Zielgruppe in einem relativ kurzen Überblick Transparenz über die ökologische Dimension von Unternehmen verschaffen. Doch ist eine Bewertung nur anhand vergleichbarer Daten möglich. So wird es wohl schwierig sein, eine Aussage zu treffen, ob die Bemühungen des Unternehmens A, seine Schwefeldioxid-Emissionen zu senken, ökologisch höher anzusiedeln sind als die Bestrebungen der Firma B, weniger Energie zu verbrauchen. Insofern ist es von entscheidender Bedeutung, mittels spezieller Fragebögen sowie durch Auswertung von Sekundärliteratur die undifferenziert vorliegenden Daten zu hinterfragen und zu relativieren.

Insgesamt muß „Rating“ in erster Linie die unterschiedlichen Erfolge und Defizite im ökologischen Engagement der Unternehmen transparent machen. Grundsätzlich bringt zwar jede Reduzierung der ökologischen Dimension auf einige ausgewählte Aspekte des betrieblichen Umweltschutzes einen Informationsverlust mit sich. Dem gegenüber steht jedoch der Informationsgewinn, der mit einer Erhöhung der allgemeinen ökologischen Transparenz einhergeht.

Wie eine derartige Umweltinformation aussehen kann, zeigen Beispiele aus den USA und neue Ansätze in der Bundesrepublik.

Ein Meilenstein auf diesem Weg ist die im Januar 1994 veröffentlichte Untersuchung des Hamburger Umweltinstitutes (HUI), das ein umfassendes Öko-Rating von insgesamt 60 der weltweit größten Chemie- und Pharmaunternehmen durchgeführt hat. Und das Institut für Markt-Umwelt-Gesellschaft (imug) in Hannover will im Frühjahr 1995 eine sozialökologische Analyse von 300 bundesdeutschen Unternehmen der Nahrungs- und Genußmittel publizieren.

Seit Juni 1994 hat sich mit der Münchener Umweltagentur ökom ein neuer Öko-Rating-Ansatz im deutschsprachigen Raum etabliert. Im Auftrag des Wiener Informationsdienstes Öko-Invest erstellt ökom für die nächsten vier Jahre monatlich ein Öko-Rating ausgewählter internationaler, börsennotierter Aktiengesellschaften quer durch alle Branchen. Zielgruppe sind die ökologisch orientierten Kapitalanleger.

Der Anfang ist also gemacht: Öko-Rating ist auf dem besten Weg, sich auch in Deutschland zu etablieren. Robert Haßler

Der Autor ist Mitarbeiter der Öko- Rating-Agentur ökom.

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