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60 Prozent aller Infektionen mit HIV waren vermeidbar

■ Abschlußbericht des Aids-U-Ausschusses

Bonn (taz) – Rund 60 Prozent der HIV- Infektionen bei Blutern in der Bundesrepublik hätten vermieden werden können, wenn Pharmaunternehmen, Ärzte, Blutspendedienste, Krankenhäuser und staatliche Institutionen in den frühen 80er Jahren verantwortungsvoll gehandelt hätten. Zu diesem Ergebnis kommt der Aids-Untersuchungsausschuß des Bundestages in seinem Abschlußbericht, der gestern in Bonn vorgelegt wurde.

„Fehlverhalten bei allen Beteiligten“ ist demnach die Ursache dafür, daß wahrscheinlich mehr als 3.000 Menschen über Blut und Blutprodukte mit HIV infiziert wurden. Etwa 600 dieser Opfer sind bislang an Aids gestorben.

Seit Ende der 70er Jahre standen nach den Erkenntnissen des Untersuchungsausschusses Inaktivierungsverfahren für wichtige Blutprodukte zur Verfügung. Unter den Infizierten sind rund 1.400 Bluter und Angehörige von Blutern. Es sei davon auszugehen, daß mindestens ebenso viele Nichthämophile durch ein bestimmtes Blutprodukt angesteckt worden seien, erklärte der Ausschußvorsitzende Gerhard Scheu (CSU).

Zur Entschädigung der Opfer empfiehlt der Ausschuß einen Fonds, in den Pharmaunternehmen, Ärzte, Versicherungen sowie Bund und Länder freiwillig rund 400 bis 700 Millionen Mark einzahlen sollen. Entsprechend ihrer Verantwortung sollen die Pharmaunternehmen 60 Prozent der Kosten tragen. Scheitert diese Lösung, sollen laut Ausschuß gesetzliche Regelungen helfen. Als letzte Möglichkeit gilt eine Vorauszahlung des Bundes an die Opfer, die ihre Ansprüche an den Staat abtreten.

Den Gesundheitsministern als höchsten politischen Verantwortlichen hält der Bericht nur vor, ihre Behörden seien falsch organisiert gewesen, so daß die wichtige Information über die Aids-Gefahr die Minister nicht erreichte. Eine persönliche Schuld sei nicht gegeben. Wie aus SPD- Kreisen verlautete, mußte die detaillierte Klärung der Ministerverantwortung dem Ziel geopfert werde, eine von allen Parteien getragene Empfehlung zu verabschieden.

Hersteller von Arzneimitteln aus Blutplasma kritisierten gestern allen Ernstes die Arbeit des Ausschusses. Ein Sprecher der geschädigten Bluter erklärte im Gespräch mit der taz, die Hämophilen rechneten nicht mit freiwilligen Zahlungen. Hans Monath Interview Seite 4

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