: Springteufelrap
■ „Megalomaniax“ rapten & rockten im Modernes - „zu geil für diese Welt!“
Können zwei für sich nicht weiter erwähnenswerte Bands etwas Erwähnenswertes schaffen, indem sie sich nur zusammentun? Das herauszufinden waren die Stuttgarter „Fantastischen Vier“ und die Frankfurter „Megalomaniax“ ins Modernes gekommen, um als „Megavier“ der zahlreich erschienenen Gemeinde ihre Rap-Metal-Fusion zu kredenzen. Vom ersten Ton an flogen die Leiber durch die Luft, kreischten die Kehlen und herrschte auf der Bühne ein heilloses Durcheinander aus Musikern, Springteufeln und Ordnern. Die Rapper und die Rocker spielten so homogen, als hätten sie das schon immer getan und sich nicht erst kürzlich zusammengerauft. Ihr erster Song „Keiner kommt hier lebend raus“ zeigte gleich, wo es lang geht. Trotz härterer Gangart und ein paar ungewohnt ernsthaften Texten über Generationskonflikte und bürgerliche Ignoranz ging es in erster Linie um „Party machen“. Und Party wurde so heftig gemacht, daß gar nicht weiter auffiel, daß das Programm bei aller Wucht und Kompetenz nur selten von wirklich guten Ideen heimgesucht wurde. Zu diesen gehörten zweifelsohne der „Tag am Meer“, der im grummeligen Grunge-Gewand allemal besser dran ist denn als fades Galliano-Rip-Off, und „Zu geil für diese Welt“; die Hit-Single wurde kurzerhand auf zwei Zeilen plus Refrain reduziert: „Der Tag fängt an“ und „die Nacht ist um“ läßt sich halt leichter mitgröhlen als der komplette Text. Sympathisch auch, daß „Die Fantastischen Vier“ schonmal Luke Skywalker aus „Krieg der Sterne“ oder den doofen Roboter aus „Buck Rogers“ sampeln anstatt immer nur Prince, wie soviele Kollegen.
Ansonsten knüppelten die neun Freunde so gnadenlos voran, daß die charmant- geschwätzigen „Wo war ich stehengeblieben?“-Ansagen die einzigen Verschnauf- pausen darstellten. Verrockte Songs der „Vier“ und verrapte Songs der „Megalomaniax“ waren bald kaum noch auseinanderzuhalten, und irgendwann wurde auch das entschlossenste Party-Animal müde. Als dann alle „Ich kriege nie genug“ mitsingen sollten, klang das eigentlich recht tapfere Publikum bereits, als könne es sich mit dieser Aussage nicht mehr ganz identifizieren. Zugaben wollte man sich aber dennoch nicht entgehen lassen und schrie dafür sogar das bereits angeknipste Saallicht wieder aus.
Eins dürfte klar sein: Musikalisch ist die Zusammenarbeit der beiden Bands ungefähr so wichtig wie das 137. Album der „Ramones“, und „Die Fantastischen Vier“ werden durch die neue Härte nicht über Nacht zu Göttern der HipHop-Szene; zumal sie seit ihrem Verkaufserfolg „Die da“ von fast allen Seiten als Ausverkäufer des deutschen HipHop verteufelt wurden. Aber als einmalige Tour ist dies ein weitgehend gelungenes Experiment. Man sollte darin halt eher ein Party-Konzept als ein richtiges Konzert sehen.
Andreas Neuenkirchen
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