piwik no script img

Bubis fordert nationalen Gedenktag

■ Er soll an die Ermordung der europäischen Juden erinnern / Während Helmut Kohl undeutlich vor "Extremismus" warnt, fordert Rita Süssmuth Wachsamkeit vor "Antisemitismus und Rassismus"

Berlin (taz) – Die Reichspogromnacht vom 9. November 1938 und der Mauerfall vom 9. November 1989 müssen laut Ignatz Bubis „im Zusammenhang miteinander gesehen werden“. Das sagte der Vorsitzende des Zentralrats der Juden gestern vor der SPD-Bundestagsfraktion im Berliner Reichstag. „1989 wäre ohne 1938 nicht nötig gewesen.“ Zur Erinnerung an die Ermordung der europäischen Juden plädierte Bubis für einen nationalen Gedenktag.

SPD-Chef Rudolf Scharping war zuvor mit Parteikollegen – darunter auch der 89er Bürgermeister Walter Momper – demonstrativ durch das Brandenburger Tor marschiert. Mancher Sozi war von dem symbolträchtigen Akt so begeistert, daß er sich veranlaßt sah, gleich zwei-, dreimal durch das Tor zu wandeln.

In seiner anschließenden Rede auf dem Pariser Platz plädierte Scharping dafür, den 9. November als „ambivalentes Datum“ anzunehmen und ihn in Erinnerung zu halten. Diskussionen über einen Nationalfeiertag am 9. November hielt er für müßig. Es sei zweifelhaft, ob an diesem Tag Hoffnung und Erinnerung staatlich verordnet werden könnten.

Helmut Kohl (CDU) ließ von Bonn aus eine Erklärung verbreiten, in der er zur „Wachsamkeit gegenüber den Feinden der Demokratie“ aufforderte. Dazu gehöre die Absage an jede Form von politischem Extremismus.

CDU-Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth fand da deutlichere Worte. Sie forderte am Abend bei einer Gedenkfeier zur Pogromnacht in der Frankfurter Paulskirche zu mehr Wachsamkeit gegenüber Antisemitismus und Rassismus auf. „Jeder antisemitische Anschlag ist zugleich ein Angriff auf unsere Demokratie“. In manchen Teilen der BRD habe es in diesem Jahr mehr Anschläge auf jüdische Friedhöfe gegeben als in der gesamten Weimarer Republik. „Wir müssen uns aktiver gegen diejenigen wenden, die mit ihren diffamierenden Reden unser Zusammenleben angreifen.“ flo

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen