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Geht das SEZ baden?

■ Das Sport- und Erholungszentrum soll privatisiert und vom "blub" übernommen werden / Das könnte für Besucher und Personal teuer werden

Von Kathi Seefeld

16 Bowlingbahnen, 1.152 Quadratmeter Sporthallen, drei Fitneßstudios, 2.200 Quadratmeter Eisbahn im Winter. Im Sommer wird Rollschuh gelaufen, sieben Schwimmbecken, Restaurants, Cafés und, und, und. Mit „grenzenlosem Freizeitvergnügen“ lockte das Sport- und Erholungszentrum (SEZ) im Bezirk Friedrichshain auch nach der Wende jährlich mehr als eine Million BesucherInnen, junge wie alte. Die vielen Angebote, vor allem aber erschwingliche Preise sorgten für Andrang. Den Senat von Berlin jedoch beschäftigten andere Zahlen: 14 Millionen Subventionen jährlich und ein Investitionsbedarf von rund 40 Millionen für das inzwischen 13 Jahre alte Domizil. Geschlußfolgert wurde deshalb, daß die Einrichtung zu privatisieren sei.

„Als wir merkten, daß Berlin das SEZ loswerden wollte, haben wir den Förderverein gegründet“, erzählt Thomas Mangoldt, der mit seiner Familie zu den regelmäßigen Besuchern des Hauses gehört. F.E.S.T. e.V., der Förderverein für die Erhaltung des Sport- und Erholungszentrum als Treffpunkt, favorisiert nach wie vor das Modell einer landeseigenen oder gemeinnützigen GmbH. „Gesellschafter wären dabei das Land Berlin oder aber auch die Anrainer-Stadtbezirke Mitte, Lichtenberg, Friedrichshain und Prenzlauer Berg als Hauptanteilseigner, darüber hinaus Institutionen, der Förderverein sowie private Unternehmer.“ Er sei zwar kein Finanzfachmann, so Mangoldt, doch sparen dürfte der Senat bei einer Privatisierung kaum. „Jugendliche sind die Hauptnutzer des SEZ. Wir selbst sind mit drei ABM-Projekten im Kinder- und Jugendbereich dort aktiv.“ Schulklassen würden ihre Wandertage im Park verbringen. „Wer sich dort austobt, wird es nicht an anderer Stelle tun.“ Könnten sich Jugendliche den Besuch des SEZ nicht mehr leisten, würden sie neue Betätigungen suchen, was Berlin an anderer Stelle recht teuer kommen könnte, so der Vereinschef. „Der Senat schmeißt anderenorts derart viel Geld raus – ich sage nur ,Olympia‘ und ,Flughafen Holding‘ –, da will ich einfach nicht akzeptieren, daß behauptet wird, es seien keine Mittel vorhanden.“

Mit F.E.S.T. e.V. einer Meinung waren vor zwei Wochen auch 4.000 BesucherInnen des Hauses. Vor die Wahl gestellt, Privatisierung oder gemeinnützige GmbH, plädierten bloß drei per Unterschrift für einen privaten Betreiber. Eine Familie aus Britz, die ein Badeparadies vor ihrer Haustür hat, habe erzählt, so Mangoldt, daß sie lieber ins SEZ fahre, da ihr das „blub“ zu teuer wäre. Doch ausgerechnet der Boß des Britzer Domizils, Dr. Harald Frisch, gilt mittlerweile als der Favorit für die Übernahme des SEZ.

Mit welchem Konzept er den Sportsenator Klemann zu dessen „Empfehlung“ veranlassen konnte, sich mit dem Angebot des „blub“-Betreibers doch intensiver zu beschäftigen, wollte Frisch nicht verraten. „Dr. Frisch wird keine Aussagen machen, bis die Entscheidung gefallen ist“, meinte seine Öffentlichkeitsmitarbeiterin. Der Mann beabsichtige nicht nur die Erhöhung der Eintrittspreise, sondern auch eine Erweiterung des Gebäudes sowie die Umwandlung von Teilen des angrenzenden Parks in ein Freibad und in Parkplätze, weiß Thomas Mangoldt zu berichten. „Unser Bezirk ist heute schon der mit der geringsten Grünfläche pro Einwohner. Wer die Liegewiese hinter dem SEZ kennt, weiß, dort stehen seltene Bäume.“ Bislang war das Areal mit Spielplatz, Plansche, Asphaltschach und anderen Vergnügungsmöglichkeiten nicht nur kostenfrei begehbar, sondern einer der beliebtesten Tummelplätze für FKK-Fans. Der Förderverein will mit einer Podiumsrunde vor Ort am 20. November noch einmal am Privatisierungsvorhaben des Senats rütteln.

Vor dem Sportausschuß des Abgeordnetenhauses am vergangenen Donnerstag konnte das Thema erst einmal nicht behandelt werden. Der Senator hatte die erforderlichen Zuarbeiten nicht geliefert. Unklar, so der Personalratsvorsitzende des SEZ, Dieter Möller, weshalb Klemann bei zehn Angeboten auf die Ausschreibung einen Bewerber favorisiert, der offenbar nicht einmal gewillt ist, sich an die Ausschreibungsschwerpunkte zu halten.

Grund zur Sorge hat dabei nicht zuletzt die Belegschaft. Von 257 MitarbeiterInnen, viele aus der DDR-Zeit übernommen, sollen unter Frisch noch etwa 130 bleiben. Jedoch gäbe es, so Gewerkschaftsgruppensprecher Günter Fasel, bislang noch keine konkreten Aussagen zu den vom bisherigen Dienstherren versprochenen Ersatzarbeitsplätzen im Land Berlin. Am 23. November soll im Hauptausschuß über das Sport- und Erholungszentrum entschieden werden. Die Privatisierung ist zum 1. April 1995 vorgesehen.

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