: A Hard Day's Write: Die Beatles Studies werden fortgesetzt
Hello good-bye, good-bye hello – mit den Beatles wird man nie fertig, sie nehmen für die Hermeneutik des 20. Jahrhunderts in etwa die Stellung ein, die Goethe für das 19. innehatte: Auslegung ohne Grenzen.
Leider ist Steve Turners „A Hard Day's Write“ (Edition Olms, Zürich, 200 Seiten, 200 Fotos, 39,80 DM) kein im strengen Sinne wissenschaftliches Werk, sonst würden die Tentakeln der Fußnoten sicher wunderschön psychedelisch und vollends entfesselt in Haupt- und Nebenschauplätze der Beatles-Jahre hineinwuchern, doch auch so bringt sein komparatistischer Ansatz einiges Überraschende zur Entstehungsgeschichte jedes (!) veröffentlichten Beatles-Songs zusammen.
Daß die berühmte Zeile „Michelle, ma belle“ von einer Französischlehrerin namens Jan Vaughan stammt, die Paul um einen zweisilbigen „gutklingenden“ Chansonnamen anpumpte (vorher sang er immer „Good night, Sweetheart“ – nicht auszudenken, wenn das auf Vinyl gekommen wäre!) mag ja noch als bekannt vorausgesetzt werden; aber in welche Hintergründe z.B. „Happiness Is A Warm Gun“ zerfällt, daß es nämlich während eines bedrogten Gemeinschaftsassoziierens entstand, wo diverse Lennon-Freunde sich an wirklich sehr obskure Nachrichten erinnerten und also auch die Zeilen „lying with his eyes while his hands are busy working overtime“, die ich immer für eine gewissermaßen ätzende Beschreibung entfremdeten männlichen Sexualverhaltens gehalten habe, in Wirklichkeit auf die Zeitungsmeldung von einem Ladendieb zurückgeht, der unter einem mit Plastikhänden versehenen Umhang sich unbeobachtet die Taschen füllte – da wäre man natürlich von sich aus nicht so schnell drauf gekommen! Andererseits: Ist das Rätsel dieses kollektiven Mesmerismius damit wirklich gelöst? Charles Manson z.B. decodierte gerade einige späte Beatles-Stücke (etwa „Little Piggies“, wo es heißt, die „Schweinchen“ bräuchten „A damn good whacking“) als Lizenz zum Töten.
Nein, es gibt immer noch viel zu tun. Die Anfangsbuchstaben der ersten vier aufgenommenen Beatles-Stücke (in order of appearance) bilden übrigens die Folge „IMAP“, die der letzten dagegen „GCTH“. Was das genau zu bedeuten hat, weiß bis heute auch keiner. tg
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