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"Gesinnungskumpan" Rainer Orlet soll weg

■ 200 DemonstrantInnen fordern vor dem Mannheimer Landgericht die Absetzung des Deckert-Richters Rainer Orlet

Mannheim (AFP/AP/taz) – Vor dem Landgericht Mannheim hat gestern der Bundesverband Jüdischer Studenten in Deutschland (BJSD) gegen den Wiederantritt des Richters Rainer Orlet demonstriert. Der Richter, der jetzt aus dem Zwangsurlaub zurückkehrte, habe sich mit dem Mannheimer „Skandalurteil“ der „Gesinnungskumpanei“ mit dem Auschwitz- Leugner und NPD-Chef Günter Deckert schuldig gemacht.

Der Verfasser der verständnisvollen Urteilsbegründung im Volksverhetzungsprozeß gegen Deckert müsse abgesetzt werden, forderte vor den 200 DemonstrantInnen auch das Direktoriumsmitglied des Zentralrats der Juden in Deutschland, Michel Friedman (CDU).

Friedman sagte, mit der Protestaktion solle eine „demokratische Wunde offengehalten werden“. Der Richter habe mit seiner Urteilsbegründung dem Auschwitz- Leugner einen „juristischen Freifahrtschein für geistige Brandstiftung“ ausgestellt. Diesem „unverständlichen Verständnis“ für rechtsradikales Gedankengut müsse das Gericht durch eine Änderung der Geschäftsverteilungspläne ein Ende machen. Der BJSD betonte, daß Orlet „das Vertrauen in die demokratische Integrität deutscher Richter stark erschüttert“ und deshalb nicht mehr im Namen des Volkes richten dürfe.

In dem Bewährungs-Urteil, das Orlet als Beisitzer der 6. Strafkammer am Landgericht Mannheim verfaßt hatte, wird Deckert unter anderem zugute gehalten, er habe mit der Leugnung des Massenmordes an Juden in Auschwitz die „Widerstandskräfte im deutschen Volk gegen die aus dem Holocaust abgeleiteten jüdischen Ansprüche stärken“ wollen.

Nach Auskunft des Gerichts wird das Präsidium Ende November über die Geschäftsverteilung für 1995 beraten. Ein Richter könne jedoch nicht einfach wegen eines „schlechten Urteils“ einer anderen Kammer zugeteilt werden, sagte ein Gerichtssprecher. Es werde aber erwogen, eine Sonderkammer für politische Straftaten zu schaffen. Die nächsten Gerichtstermine mit Richter Orlet sind am 23. November und 14. Dezember – in beiden Fällen geht es um versuchten Mord. Ein weiterer Fall von Auschwitz-Leugnung, mit der sich auch die Orlet-Kammer befassen soll, ist nach Auskunft des Sprechers noch nicht terminiert. Mit dem Prozeß sei erst 1995 zu rechnen.

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