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Nackten in die Tasche greifen

■ Senat möchte bei Verkäufern der Obdachlosenzeitung „Hinz und Kunzt“ abkassieren / Diakonie: „Projekt in Gefahr“ Von Kai von Appen

Auf Wut, Empörung und Unverständnis ist die Entscheidung des Hamburger Senats gestoßen, den VerkäuferInnen der Obdachlosenzeitung „Hinz und Kunzt“ ab 1995 die Einnahmen auf die Sozialhilfe anzurechnen. Eine Verkäuferin zur taz: „Erst landen wir wegen der beschissenen Hamburger Sozial- und Wohnungspolitik auf der Straße. Und wenn wir uns aus eigener Kraft aus dem Dreck ziehen, wollen die Bonzen im Rathaus auch noch abkassieren.“

Der Beschluß war am Dienstag im SPD/Statt-Senat gefallen. Danach sollen „Hinz und Kunzt“-Verkäufer künftig Einnahmen über 260 Mark beim Sozialamt melden und mit der Sozialhilfe verrechnen lassen. Nur in Einzelfälllen kann das Sozialamt - auf zwei Jahre befristet - auf die Anrechnung verzichten. Sozialbehördensprecherin Christina Baumeister: „Voraussetzuung hierfür ist eine individuelle Vereinbarung zwischen dem Verkäufer und seinem zuständigen Sachbearbeiter im Sozialamt über eine teilweise oder befristete Nichtanrechnung der Einkünfte.“

Sozialsenatorin Helgrit Fischer-Menzel verteidigt den Gelderklau: „Diese Regelung bietet die Chance, das Projekt Hinz und Kunzt weiterhin zu unterstützen und die Verkäufer und Verkäuferinnen im Rahmen der Selbsthilfe zu einem selbständigen Leben zu befähigen.“

„Hinz und Kunzt“-Herausgeber und Chef des Diakonischen Werkes, Stephan Reimers, protestiert: „Diese Entscheidung gefährdet das gesamte Projekt. Wir befürchten, daß die Motivation der Verkäufer verloren geht, wenn sich ihre Arbeit nicht mehr bezahlt macht.“ Außerdem hätten die Obdachlosen oft Angst vor Behörden-Willkür. Reimers: „Das Gefühl, von einem einzelnen Sachbearbeiter abhängig zu sein, schreckt unsere Leute ab.“

Sollte der Senats-Beschluß in Kraft treten, müssen die „Hinz und Kunzt“-VerkäuferInnen überdies mit Absatzeinbußen rechnen. Momentan erhalten sie pro verkauftem Expemplar mindestens eine Mark. „Ich kaufe und verschenke doch nicht mehrere Expemlare pro Monat, wenn ich weiß, daß die Stadt das Geld wieder abkassiert“, so ein Hinz-und-Kunzt-Dauerkunde.

Stephan Reimers fordert eine Verlängerung der bisherigen Regelung, nach der die Einkünfte der Verkäufer nicht auf die Sozialhilfe angerechnet werden. „Das war die Voraussetzung für unsere Erfolge“, so Reimers. „Immerhin haben 600 Obdachlose durch Hinz und Kunzt ihre Lebenssituation verbessert. Und 30 von ihnen haben sogar eine feste Wohnung, eine Arbeitstelle oder einen Therapieplatz bekommen.“ Reimers Appell an die Bürgerschaftabgeordneten: „Ich hoffe, daß sie Mut beweisen und in unserenm Sinne abstimmen – keine Anrechnung auf die Sozialhilfe!“

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