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Unorte: Der Drogeriemarkt Von Claudia Kohlhase

Wer jetzt in einen Drogeriemarkt muß, ist nicht zu beneiden. Ein Drogeriemarkt stellt hohe Anforderungen an Geschmack und Wahnsinn. Natürlich gibt es da auch Verkäuferinnen, die Gesundheit sagen, wenn man niest. Aber insgesamt ist man dort sehr auf sich und die eigene gute Führung angewiesen. Denn Verkäuferinnen, die Gesundheit sagen, gibt es vielleicht grade mal eine. Die anderen halten sich meist versteckt und lassen einen mit seinem Haushaltsschnupfen alleine. Dabei ist man deswegen hergekommen! Und eventuell noch wegen der Haushaltskerzen und dem Haushaltspflaster, aber das gilt ja jetzt nicht, wo es um die weiße Menschen- und Seelenleere im Drogeriemarkt geht.

Es sollen zwar schon Menschen im Drogeriemarkt gesehen worden sein, aber das bin vermutlich immer ich gewesen. Denn ich bin oft im Drogeriemarkt, um mir meinen Hang zur Gemütlichkeit abzugewöhnen. Ich folge dann den Regalen wie am Schnürchen, betrachte alles extra aufmerksam und lese die Etiketten, damit das wenigstens mal einer tut.

Ich frage mich oft, warum es Drogeriemärkte gibt. Aber genausogut könnte ich mich fragen, warum es Dosen-Topper gibt. Dosen-Topper sind Topper für Dosen und unter anderem im Drogeriemarkt vorrätig, gleich neben den Früchte-Pickern. In meinem Viertel gibt es vier Drogeriemärkte, und einer ist weißer als der andere. Dafür hat der eine manchmal Windjacken und der andere Schuhigel. Niemals würde ich meine Fotos aber in einem Drogeriemarkt abgeben: woher sollen sie wiederkommen? Warum noch kein Mensch auf die Idee gekommen ist, in einem Drogeriemarkt einen Krimi zu drehen, ist mir kein Rätsel: es gibt kein Motiv! Und keiner würde hier eins vermuten. Weil sich hier alles wieder gegenseitig aufhebt: der Laden die Fläche und die Fläche den Laden; und Täter gibt es keine und Opfer auch nicht, außer mich, die tapfere Stammkundin. Aber bei mir lohnt sich kein Mord, und der Filialleiter müßte schon sehr blöd sein, seine einzige Kundin von hinten aus dem Glaskabäuschen zu erschießen.

Meine Tante mütterlicherseits geht manchmal mit mir in den Drogeriemarkt, weil dort die Weinbrandbohnen billiger sind als bei Tengelmann. Aber das ist streng genommen überhaupt kein Grund. Eigentlich ist mir der Drogeriemarkt egal. Der Drogeriemarkt ist mir, glaube ich, so egal wie eine Weltraumkrankenstation. Ich glaube das, weil ich glaube, daß eine Weltraumkrankenstation so ähnlich wie ein Drogeriemarkt aussieht, bloß ohne Tamponx und Topper. Aber vielleicht stelle ich mir eine Weltraumkrankenstation auch ganz falsch vor. Und ich kenne ja auch keine. Wahrscheinlich gibt es da gar keine Verkäuferinnen, die aussehen wie mißmutige Krankenschwestern. Und auch keinen Arzt, der aussieht wie ein Filialleiter und stundenlang seine Regale abklopft, um herauszufinden, was ihnen fehlt.

Ich stelle mich übrigens manchmal in seine Nähe und hüstele ehrlich entzündet, aber er hört mich nicht. Als klassische Übersprungshandlung greift man in solchen Fällen zum falschen Parfümtester und erwischt Skarlett mit k, was einem nur selber schadet bis in den späten Abend, wenn einen die eigene Wohnung schneidet. Aber immer noch besser die eigene Wohnung als ein Drogeriemarkt.

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