piwik no script img

Nahverkehrsnutzer leben gefährlich

■ Fahrkartenkontrolleure verprügelten Afrikaner / „Schwarze Sheriffs“ wegen „gefährlicher Körperverletzung“ verurteilt Von Kai von Appen

Ein Afrikaner wird von Fahrkartenkontrolleuren geschlagen: Ausländerfeindlichkeit oder ein unglücklicher Zwischenfall? Geschäftsführer Peter Kellermann von den „Pinneberger Verkehrsbetrieben“ (PVG) schließt rassistische Motive bei den drei PVG-Angestellten aus, die vor wenigen Tagen Leffi Bonga* aus Togo in eine Schlägerei verwickelten und ihn verpügelten.

Der Vorfall ereignete sich am 8. November 1994, als Bonga mit dem PVG-„Bus 0527“ der HVV-Linie 115 fuhr. An der Haltestelle Schulterblatt wollte Bonga in Eile den Bus verlassen. In diesem Moment versuchte ein Mann, das Fahrzeug zu betreten: „Ohne mich anzusprechen oder nach meiner Fahrkarte zu fragen, packte mich dieser Mann am Kragen und hielt mich fest.“ Durch das Zerren erlitt Bonga eine Schittwunde am Hals. Er sei dann in den Haltestellenbereich gezogen worden, wo sich der Mann als Kontrolleur zu erkennen gegeben und nach einer Fahrkarte gefragt habe. Bonga: „Als ich in meine Jackentasche greifen und die HVV-Jahreskarte aus der Brieftasche rausholen wollte, kamen zwei weitere zivile Kontrolleure hinzu. Der eine packte mich an der Schulter, die beiden anderen schlugen mich auf den Kopf, auf den Rücken und in die Seite.“ Es sei zum Handgemenge gekommen, in dessen Verlauf der sich wehrende Bonga sich aus der Jacke und aus der Umklammerung befreien konnte. Da inzwischen mehrere Augenzeugen die PVG-Mitarbeiter attackierten, zogen sich die drei Männer in den Bus zurück. Die Kontrahenten warteten gemeinsam auf die alarmierte Polizei. Bongas Anwältin Regina Weiner: „Als die Polizei erschien, stellte sie fest, daß mein Mandant eine Jahreskarte des HVV hatte. Auf Grund der Zeugenaussagen einiger Fahrgäste stellte die Polizei ebenfalls fest, daß die Kontrolleure meinen Mandanten ohne Grund körperlich mißhandelt haben.“ Weiner stellte Strafantrag wegen Körperverletzung.

PVG-Chef Peter Kellermann bedauert den Vorfall, möchte aber zum konkreten Sachverhalt wegen des „schwebenden Verfahrens“ keine Angaben machen: „Das sind aber keine aggressiven Schlägertypen.“ Die Mitarbeiter hätten selbst Verletzungen davongetragen und Strafanzeige gestellt. Kellermann: „Ausländerfeindliche Motive haben nicht vorgelegen. Dafür kann ich meine Hand ins Feuer legen.“ Vermutlich habe die zivile Kleidung seiner Männer das Mißverständnis ausgelöst. Wäre ein Deutscher ebenso behandelt worden? Kellermann: „Darüber habe ich auch nachgedacht. Wir haben den bedauerlichen Vorfall betriebsintern zum Anlaß genommen, die Problematik intensiv zu erörtern.“

Mit einem eindeutigen Fall von brutaler Gewalt durch HVV-Mitaarbeiter hatte sich hingegen Anfang der Woche das Hamburger Amtsgericht zu befassen. Volker R. war am 23. Juli 1993 im S-Bahnhof Reeperbahn mit „Schwarzen Sheriffs“ aneinandergeraten, als er eine Rolltreppe in entgegengesetzter Richtung herunterrannte. „Du lebst ganz schön gefährlich“, schnauzten die Männer ihn an. „Ja, seit es euch hier unten gibt“, entgegnete Volker R. flapsig. Zunächst passierte nichts. Im Bahnhof Stadthausbrücke tauchten die Schwarzen Sheriffs Sven B. und Mario K. in dem Abteil auf, in dem Volker R, saß, verlangten seine Monatskarte und steckten sie einfach ein. Als Volker R. protestierte, hätten die beiden ihn im Zug verprügelt und unter massivem Einsatz von Tränengas Handschellen angelegt. Im Hauptbahnhof zerrten sie Volker R. in ein Abfertigungshäuschen. In der Unterkunft schlugen und traten sie erneut auf ihn ein, was Zeugen beobachteten. Es sei versucht worden, Volker R. mit einer Messingmuffe des Wasserhahns die Fingergelenke zu zerschmettern.

Die Gewalt-Orgie wurde von der Polizei unterbrochen, die von Passanten alarmiert worden war. Das sei nicht nur eine „gefährliche Köperverletzung“ gewesen, sondern schon „Folter“, urteilte das Gericht und verdonnert die Schwarzen Sheriffs zu zehn und elf Monaten Knast – ohne Bewährung.

*Name geändert

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen