piwik no script img

■ Nebensachen aus RomItaliens Steuerprüfer im Erfolgszwang

Der Brief vor der „Guardia di finanza“ an den „Höchsterlauchten Herrn Raith“ hatte, abgesehen von der noblen Anrede, etwas Barsches an sich:

Der angeschriebene Herr möge sich doch bitte unverzüglich an die Beantwortung folgender Fragen machen: Hat er in vorangegangenen Steuerklärungen den Besitz von Pferden angegeben? Wenn ja, wie viele? Zu welchem Wert sie versteuert seien?

Hat er Abzüge für deren Futter geltend gemacht? Wenn ja, in welcher Höhe? Denn „dem Amte hier“ sei bekannt, daß der Angeschriebene „Futtermittel bezogen habe, wobei auf der Rechnung jedoch eine falsche Steuernummer erscheine“. Auch das wolle man erklärt haben.

Der eher amüsierte Anruf beim Steuerberater tilgte sogleich jedes Schmunzeln. „Wir sind ruiniert“, sagte Maurizio, „jetzt haben sie uns.“ Wieso? Meine Frau ist Reitlehrerin, die beiden Pferde sind seit acht Jahren in unserem Besitz. Auch haben wir sie regelmäßig auf dem Formblatt für die Einkommensteuererklärung angegeben.

„Tatsächlich?“ wundert sich Steuerberater Maurizio, obwohl er doch selbst alles ausgefüllt hatte. Er kann sich gar nicht genugtun – tatsächlich, da sind sie angekreuzt, seit 1990 neben der Rubrik „Anzahl der Kraftfahrzeuge“, „Motorboot oder Yacht“ auch die Reitpferde eingefügt wurden – Teil eines Fragebogens über den Lebensstandard, aus dem die Behörden auf das Einkommen zu schließen suchen, wenn die Angaben, wie durchweg üblich, jahrelang weit unter dem Existenzminimum lagen.

Nur die Sache mit der Steuernummer ist noch offen – die stimmt tatsächlich nicht. Ein Anruf bei der Lieferfirma ergibt: die hatten bei der Ladung des Kraftfutters schlichtweg das Ausfüllen der betreffenden Rubrik auf dem Lieferschein vergessen und danach einfach eine Phantasienummer eingefügt, denn dastehen muß die Nummer in jedem Falle. Unglücklicherweise war kurz danach eine Betriebsprüfung durch die Finanzwache erfolgt, und wiederum unglücklicherweise hatten die ausgerechnet diese Rechnung überprüft und herausgefunden, daß es die angegebene Steuernummer überhaupt nicht gibt. Und so roch alles sofort nach gigantischem Steuerbetrug. Ein Brief Maurizios an die Finanzwache also, und alles ist paletti.

Mitnichten. Zwei Wochen danach kam ein neuer Fragebogen: Wie oft ich in den letzten Jahren die falsche Steuernummer verwendet hätte? Wem gegenüber und bei welchen Gelegenheiten? Antwort innerhalb von fünf Tagen. Das schien sich nun sogar ohne Rechtberater aus der Welt schaffen zu lassen – mit einem erklärenden Anruf. Der Beamte zeigte sich einsichtig.

Zwei Wochen später lief der Strafbefehl ein – 50.000 Lire (50 Mark) wegen Benützung einer falschen Steuernummer. Zahlbar innerhalb von drei Tagen. Nun reichte es aber – der Besuch beim Beamten hatte sich gewaschen. Am Ende allerdings schieden wir wieder eher freundlich voneinander, hinter dem Strafbefehl hatte der Mann vermerkt, „der Beschuldigte“ habe seine Unschuld hinreichend klar belegt.

Dafür meldete sich nun ein Staatsanwalt. Der wackelte bedenklich mit dem Kopf: Er habe Unregelmäßigkeiten in der Finanzwache zu überprüfen, und da sei man auf „diesen merkwürigen Vorgang gestoßen, der da einfach so ohne alles erledigt wurde, wo, die Leute doch sonst immer etwas entdecken, das ein Bußgeld rechtfertigt“.

Und er wollte von mir wissen, ob bei der Einstellung des Verfahrens am Ende nicht gar etwas Geld geflossen sei ... Werner Raith

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen