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Skinhead ersticht Disko-Besucher

■ 18jähriger mußte in Zittau sterben, weil er „Nationalisten“ zur Rede stellte / Täter gefaßt

Zittau (taz) – Rechtsextremistisch motivierte Gewalt forderte wieder ein Menschenleben. Der achtzehnjährige Michael Gäbler wurde am Sonntag morgen im sächsischen Zittau durch einen siebzehnjährigen Skinhead mit dem Messer angegriffen und so schwer verletzt, daß er kurze Zeit darauf im Krankenhaus verstarb. Der zunächst flüchtige Täter wurde in seinem Heimatort Waltersdorf festgenommen und der Staatsanwaltschaft Görlitz übergeben. Eine Erklärung zu den Hintergründen der Tat war dort gestern nicht zu bekommen.

Beide Jugendliche hatten eine Techno- Party im offenen Jugendhaus „Rosa“ besucht. BesucherInnen des „Rosa“, das sich als „politisch offen, aber gegen Nazis“ versteht, berichten, der Täter habe sich in der Disko damit gebrüstet, „Nationalist“ zu sein. Daraufhin war er von Michael Gäbler vor dem Klub zur Rede gestellt worden. Ein unmittelbarer Zeuge des Wortwechsels berichtet, er habe sich „nur mal umgedreht“ und plötzlich hinter sich „einen Schrei gehört“. Das Opfer brach zusammen, der Zeuge verfolgte den über die Straße flüchtenden Täter bis in einen Park. Dort habe er sich auf einmal „drei Glatzköpfen“ gegenübergesehen, der Täter jedoch war verschwunden. Entschieden widerspricht der Zeuge der polizeilichen Darstellung des Tatverlaufes, wonach „die beiden Streitenden einen Kampf Mann gegen Mann vereinbarten“. Davon könne überhaupt keine Rede sein, der Täter habe vielmehr unvermittelt und mehrfach mit dem Messer zugestochen.

Mit dem tödlichen Überfall eskaliert in der Stadt erneut die rechte Gewalt. Die Polizei spielt dabei eine sehr fragwürdige Rolle. Vor zwei Wochen hatten Rechtsradikale während einer Nacht drei Klubs überfallen und blindwütig auf die Gäste eingeprügelt.

Mehrere ZeugInnen bestätigen der taz, daß der angeblich von der Polizei gesuchte „Rädelsführer“ dieser Prügeltour in der Stadt unbehelligt spazierengehe. Der siebzehnjährige Zittauer sitze in seiner Stammkneipe und die Polizei behaupte, sie fahnde nach ihm, wundert sich einer der Zeugen. Die Polizei wisse ganz genau, wo sie den namentlich bekannten Haupttäter finden könnte, „wenn sie das nur wollte“. Auf Nachfrage erklärte der Pressesprecher der Polizeidirektion Görlitz, die Fahndung habe bisher keinen Erfolg gehabt und werde weitergeführt.

Der „Nationale Jugendblock e.V.“ hat sich in einem offenen Brief von diesen Überfällen distanziert, räumt aber ein, daß auch einige seiner Mitglieder beteiligt waren. Jedoch verwahre er sich „gegen die Darstellung, der gesamte Verein hätte die Gewalttätigkeiten begangen“. Der „Nationale Jugendblock“ wolle Gewalttäter ausschließen und, so das nicht näher erklärte Resümee, das von der Stadt zur Verfügung gestellte Vereinshaus verlassen und „nach einem neuen Domizil suchen“. Vom Landesamt für Verfassungsschutz wird die „neonationalsozialistische Zielsetzung“ des Vereins betont. Er verstehe sich als Sammelbecken für „national gesinnte“ Jugendliche. Detlef Krell

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