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Väter und Söhne Von Andrea Böhm

Totgesagte leben länger. An diese Weisheit wird sich Bill Clinton klammern, wenn demnächst die ersten Nachrufe auf seine Präsidentschaft gehalten und in der Gerüchteküche die ersten Namen innerparteilicher Konkurrenten herumgereicht werden, die dem ungeliebten Präsidenten die Kandidatur im Jahre 1996 streitig machen könnten. Sein Vizepräsident zum Beispiel. Al mit dem schnurgeraden Scheitel und dieser ungemein glücklich dreinschauenden Frau samt Werbespot-tauglichen blonden Kindern. Kein Ehebruch trübt diese Familiengeschichte, keine politischen Ambitionen der Gattin strapazieren die herrschende Interpretation vom Begriff der ehelichen Arbeitsteilung. Und Drückebergerei kann man Al Gore ebenfalls nicht vorwerfen: Im Gegensatz zu Bill Clinton ist er in den Vietnamkrieg gezogen. Doch just aus jener Zeit patriotischer Pflichterfüllung erwachsen dem guten Al nun Hürden.

Daß er in Zivil und in Uniform höchst defätistische Gedanken zu Papier brachte, kann die amerikanische Öffentlichkeit nun in der Zeitschrift The New Yorker nachlesen. An selbige hat Vater Gore, seinerzeit Senator der Demokratischen Partei, den Briefwechsel mit seinem in Harvard studierenden Sohn ausgehändigt. Der kam, noch bevor er sich zum Kampf gegen Ho Chi Minh einziehen ließ, zu dem nicht ganz abwegigen Schluß, daß es sich bei der US-amerikanischen Kommunismus-Hysterie um einen „nationalen Wahn“ handele, in dem man genau das schaffe, was man zu bekämpfen vorgibt: „Faschistische, totalitäre Regime. Griechenland, Südvietnam und zu einem großen Teil Lateinamerika.“ Abgesehen vom Gebrauch des Wortes „faschistisch“ kamen Menschenrechtsorganisationen in diesen Jahren zu ähnlichen Einsichten. Der junge Al allerdings gab im Brief an seinen Vater noch eins drauf: Das beste Beispiel für solch totalitäre Strukturen „ist die amerikanische Armee“. Mit dieser Einschätzung hätte er Ende der sechziger Jahre in jeder linken Kadergruppe zwischen Berlin und Berkeley brillieren können. Doch statt die höchst unberechenbare Karriere eines APO-Mitglieds einzuschlagen, zog sich Gore junior dann doch die Uniform über. Es galt, den Herrn Papa, damals Senator im US-Kongreß, innenpolitisch nicht zu kompromittieren.

Daß der Vater ihn nun durch die Herausgabe der Briefe kompromittiert hat, findet der Sohn offensichtlich nicht komisch. Der muß jetzt Schadensbegrenzung und Abbitte leisten. Was er damals geschrieben habe, sagt Gore junior heute, sei dem wirren Kopf eines „College Kids“ entsprungen und ebenso falsch gewesen, wie den Antikommunismus seines Landes als „Irrsinn“ zu deklarieren.

Das dürfte noch nicht ausreichen, um sich angesichts der rechten Brise im politischen Klima zu rehabilitieren. Vielleicht sollte Gore zwecks patriotischer Publicity in Erwägung ziehen, was letzten Samstag per Anzeige in der New York Times als „ultimatives Weihnachtsgeschenk“ angeboten wurde: Für nur 695 Dollar darf man einen Tag lang (in Begleitung eines ausgebildeten Piloten) ein Kampfflugzeug fliegen und ein bißchen Krieg simulieren. Die Anzeige befand sich neben einem Artikel über Napalmbomben gegen Zivilisten. Die fallen dieser Tage aus serbischen Flugzeugen auf bosnische Städte.

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