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Short Stories from AmericaGar nicht herzlos

■ Einwandererfeindlichkeit gibt's nur in Europa – die USA haben Artikel 187

Es gibt da einen amerikanischen Bürger, in dessen Haut ich heute wirklich nicht stecken möchte: der kleine Huffington. Dieses jüngste Mitglied der Huffington-Familie ist fünf Jahre alt, und ich möchte nicht in seiner Haut stecken, weil er einen sehr wütenden Pappi hat.

Vater Michael Huffington, Abgeordneter für Kalifornien, kandidierte bei den letzten amerikanischen Wahlen für den US- Senat. Er hat ein Vermögen in Öl gemacht und ließ zwanzig Millionen Dollar springen, um die gegenwärtige kalifornische Senatorin Diane Feinstein aus dem Rennen zu werfen. Fundament seines Wahlkampfes war seine Unterstützung für Gesetzantrag 187, wonach den 1,6 Millionen illegalen Einwanderern in Kalifornien keine öffentlichen Leistungen mehr zustehen, weder Schulbesuch noch Gesundheitsdienste. Der Antrag verpflichtet zudem Lehrer und Krankenhausangestellte, alle als illegal Verdächtigen der Einwanderungsbehörde zu melden. So manche Lehrer und Krankenschwestern fragten sich, nach welchen Kriterien sie Schüler oder Kranke denn als illegal „verdächtigen“ sollten. Aber nicht an diesem Problem scheiterte Vater Huffington. Vater H. verlor die Wahl, weil herauskam, daß das Kindermädchen seines Sohnes eine illegale Einwanderin ist.

Marisela, das Kindermädchen der Huffingtons, war seit fünf Jahren bei der Familie angestellt, obwohl Mama und Papa H. wußten, daß sie keine Arbeitspapiere besaß. Das wirkte nicht gut bei einem Kandidaten, der Antrag 187 unterstützt. In einem Interview mit der New York Times bekannte Vater H., Marisela habe er behalten, weil „die Kinder sie liebten wie ein Mitglied der Familie“. Mutter Huffington erzählte der Presse, daß „mein Fünfjähriger nur eine Telefonnummer auswendig weiß, die von Marisela“. Das wirkte nicht gut bei einem Kandidaten, der Antrag 187 unterstützt, und man versteht, warum Pappi nach der Wahl mit seinem Kleinen nicht zufrieden ist. Man versteht auch, warum einige Kindermädchen mit Pappi nicht zufrieden sind. Zum Beispiel wüßten sie gern, warum sie so schädlich für Amerika sein sollen, obwohl die Söhne von Republikanern sie so lieben. Am Ende war Vater H. auch durch seine Unterstützung für Antrag 187 nicht zu retten. Obwohl er doch klargemacht hatte, daß ja nicht er, sondern seine Frau die vielgeliebte Marisela eingestellt hatte. Bei genauerem Nachdenken ist es mir auch ganz recht, daß ich nicht Frau Huffington bin.

Während des Wahlkampfs wiesen mehrere Juristen darauf hin, Antrag 187 verstoße wahrscheinlich gegen die Verfassung. Das ist einfach lächerlich. Antrag 187 ist ein von Grund auf gutes Gesetz. Man kann nicht erwarten, daß Kalifornien Menschen unterstützt, die gar kein Recht haben, in Kalfornien zu sein. Andere Experten meinen, Antrag 187 sei lediglich herzlos, weil er Kinder und Kranke bestrafe. Der 27jährige Martin Perez aus Mexiko erzählte dem Wall Street Journal, Antrag 187 sei albern, weil „eine sechsköpfige Familie nicht von mexikanischen Löhnen leben kann“, und Grenzwächter Sergio Naranjo erklärte gegenüber der Presse, die amerikanischen Firmen würden auch weiterhin irgendwie Mittel und Wege finden, um illegale Arbeitskräfte zu beschäftigen. Manche Leute meinen ja, Antrag 187 weise nur den Weg, sie billiger zu beschäftigen. Aber das ist gehässig.

Antrag 187 ist ein gutes Gesetz, und ich bin froh, daß es durchgegangen ist, trotz Vater Huffingtons Niederlage. Das kalifornische Budget wird von 1,6 Millionen Menschen entlastet, und die Bürger werden Millionen Dollar sparen. Wenn der Staat später Milliarden für die Verbrechensbekämpfung ausgeben muß, dann muß es eben sein. Besser Geld ausgeben, um diese Leute ins Gefängnis zu bringen, als sie mit Schulen zu verwöhnen, damit sie Arbeit finden. Schließlich besetzen sie die Arbeitsplätze von Amerikanern, wenn sie nicht von der Fürsorge leben.

Während des Wahlkampfs wurde die Unterstützung für Antrag 187 schwächer – wegen der Kennkarten. Gouverneur Pete Wilson, der sich als Anhänger von Antrag 187 um die Wiederwahl bewarb, soll nämlich gesagt haben, alle Kalifornier, einschließlich Schulkindern und Kranken, müßten Kennkarten bei sich tragen, um ihre Legalität nachweisen zu können. Das wirkte auf viele Bürger ein bißchen autoritär. Aber dieses antiautoritäre Getue ist Unsinn. Die Vorstellung, Gesetzentwürfe gegen Einwanderer seien übertrieben repressiv, gilt nur für Europa. Die New York Times hat es am 14. November in einem Kommentar auf Seite eins gesagt: „Europäische Wähler stimmen immer öfter für konservative, einwandererfeindliche Populisten, womit sie die Angst vor einem Wiederaufflammen des Faschismus nähren.“ Von amerikanischen Gesetzen gegen Einwanderer, die den Faschismus ankünden, wußte die Times allerdings nichts zu berichten. Und damit hat sie ja auch recht. In Wirklichkeit hatte Wilson nämlich erklärt, er habe doch nicht gemeint, Schüler und Kranke müßten immer eine Kennkarte bei sich tragen, sondern nur wenn sie zur Schule oder ins Krankenhaus gehen wollten. Damit war die Frage geklärt, und Wilson war bei der Wahl genauso erfolgreich wie Antrag 187. Nach seiner Wiederwahl strich Gouverneur Wilson als erstes einmal alle Fürsorgemaßnahmen für schwangere illegale Einwanderinnen. Besser diesen Menschen das Kinderkriegen abgewöhnen, als sie medizinisch verwöhnen, damit sie gesund aufwachsen und Arbeit finden.

Marisela hatte Arbeit. Jetzt hat sie keine mehr. Und Vater Huffington wird neue, bessere Methoden ausfindig machen, um ihr den Aufenthalt in den USA madig zu machen. Aber erst muß er jemanden finden, der sich um die Kinder kümmert – damit er wieder arbeiten kann. Marcia Pally

Aus dem Amerikanischen von Meinhard Büning

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