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Hessische Wahl-Lotterie

In Hessen hat der Landtagswahlkampf begonnen  ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Frankfurt/Main (taz) – Am 19. Februar 1995 sind die Hessen aufgerufen, einen neuen Landtag zu wählen. Die Wahl wird ein Lotteriespiel werden für SPD und Grüne, die in Hessen die letzte rot- grüne Landesregierung mit einer Mehrheit im Landtag stellen. Die Hessenwahl, und das wissen die Parteistrategen in Wiesbaden, wird im bevölkerungsreichen Rhein-Main-Gebiet entschieden. Und ein anhaltendes Tief für die zerstrittene SPD in Frankfurt könnte hessenweit zum Tief für die Sozialdemokratie werden.

So werden die Bündnisgrünen wohl dafür sorgen müssen, daß es am 19. Februar wieder reicht zur Bildung einer sozial-ökologischen Landesregierung. Die Partei hat den Frontmann gewechselt: von Joschka Fischer zu Rupert von Plottnitz. Sollte es am 19. Februar weniger Marktanteile als die prognostizierten „10 Prozent plus x“ geben, wird man in Hessen wohl endlich wissen, was der telegene Ex-Umweltminister auch wahlarithmetisch wert war. Fraktionsgeschäftsführer Reinhold Weist jedenfalls will kein Risiko eingehen: Fischer werde im Landtagswahlkampf hessenweit palakatiert, denn auch wenn Joschka heute in Bonn die Fäden ziehe, bleibe er „im Herzen ein Hesse“.

Doch auch Rupert von Plottnitz mangelt es nicht an Selbstbewußtsein. Schließlich habe die rot-grüne Koalition in den vergangenen vier Jahren ihre Hausaufgaben gemacht: Die im Wahlkampf 1991 versprochenen Wohnungen wurden gebaut, neue LehrerInnen eingestellt, die Polizei mit mehr Stellen ausgestattet und der Polizeidienst reformiert. Last but not least hätten SPD und Bündnisgrüne mit ihrer Wirtschafts- und Finanzpolitik dafür gesorgt, daß Hessen als letztes Bundesland noch immer Geld in den Länderfinanzausgleichstopf einzahlen kann. Weil die Politik der Koalition tatsächlich nur wenig Angriffsfläche für die Opposition bietet, hat sich die CDU ausschließlich auf den Ministerpräsidenten eingeschossen. „Führungsschwäche“ werfen der CDU-Generalsekretär Franz-Josef Jung und der am vergangenen Wochenende auf dem CDU-Parteitag in Wetzlar zum Herausforderer gewählte Manfred Kanther dem Sozialdemokraten Hans Eichel vor – und einen Hang zu Skandalen und Skandälchen.

Der SPD-Fraktionsvorsitzende im Landtag, Armin Clauss, hält diese Wahlkampfstrategie der CDU für „perfide“ und die „Schlammspritzer“ von der Union für „Lumpen“. Doch an „Skandalen und Skandälchen“ hatten die Protagonisten der SPD in der noch laufenden Legislaturperiode tatsächlich einiges zu bieten: Eichel selbst war der Antiheld der sogenannten Dienstvilla-Affäre, seine Frauenministerin Heide Pfarr mußte nach einem Skandälchen um ihre Dienstwohnungsentschädigung ihre Hüte nehmen. Und während der harten Zeiten der Skandale um die hessische Lotto- Treuhandgesellschaft räumten eine Ministerin und ein Staatssekretär ihre Sessel am Kabinettstisch.

Seit Wochen wird im hessischen Landtag nun wieder Lotto gespielt – und von der Opposition ausgespielt werden soll der Ministerpräsident, der angeblich die Öffentlichkeit auf dem Höhepunkt der Lottoaffäre nicht hinreichend über die „Verquickung von Landes- und Parteiinteressen“ unterrichtet habe. In der vorletzten Woche beantragten Union und FDP gar die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses zum Thema. Die FDP hatte sich schon auf ihrem Landesparteitag am vorletzten Wochenende in Niedernhausen klar für eine Koalition mit der CDU ausgesprochen.

„Nichts“ sei dran an den „uralten Vorwürfen“ an die Adresse von Hans Eichel, blaffte Armin Clauss auf dem SPD-Parteitag zurück. Und auch Eichel selbst gab sich kämpferisch gegen die Union und strich in seiner Rede selbstbewußt die Erfolge der rot-grünen Landesregierung heraus. Doch so recht mitreißen konnte der Mann, der am liebsten mit der Modelleisenbahn spielt und am Schreibtisch still seine Akten bearbeitet, nicht einmal die eigenen Leute. Und daß der Werbespot der SPD zu den Landtagswahlen die Leistungen des ersten hessischen SPD-Ministerpräsidenten Georg August Zinn herausstreicht und Eichel nur am Rande zu sehen ist, ist Beleg dafür, daß selbst die Parteiführung den amtierenden Ministerpräsidenten nur ungern als Zugpferd vor den Parteiwagen spannen möchte.

Weil sich Bundesinnenminister Manfred Kanther bei seiner Wahl zum Spitzenkandidaten der hessischen Union für die Landtagswahlen die Rückfahrkarte nach Bonn sicherte, falls es mit dem „Wechsel in Hessen“ doch nicht klappen sollte, wurde ihm von der SPD „doppeltes Spiel“ vorgeworfen. Kanther wolle nicht das „karge Brot“ des Oppositionsführers essen, sondern nur als Ministerpräsident am Fleischtopf sitzen. Ob SPD und Grüne das verhindern können, wird vor allem davon abhängen, wie sich die Sozialdemokraten in den nächsten Wochen beim Wahlvolk verkaufen. Clauss mahnte eindringlich zur Geschlossenheit. Und mehrere Delegierte gingen in Fulda mit ihren Genossen aus Frankfurt hart ins Gericht. Man müsse sich am Riemen reißen und die internen Grabenkämpfe sofort beenden – sonst beende vielleicht der Wähler die „schöne Zeit“ der sozialdemokratisch geführten rot-grünen Landesregierung in Wiesbaden.

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