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Besuch bei führenden Herren

Ein Gewerkschafter, ein Unternehmervertreter und ein Manager beschäftigen sich mit Gleichstellungspolitik. Vorsicht, Eigennutz geht vor!  ■ Von Mechtild Jansen

Dieter Schulte hat seine eigenen Vorstellungen von Feministinnen: „Also feminin ist für mich was Schönes, Frauliches und nur im Positiven besetzt. So, wenn jetzt einer sagt, ,aber die feministische Bewegung‘, so durch das Wort Bewegung könnte was Negatives entstehen. Weil das wieder aussieht, als wenn jetzt durch dies Feminine Druck gemacht wird.“ Dieter Schulte fühlt sich als Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes den Interessen der Frauen verpflichtet. Für ihn stehe die Gleichberechtigung von Frauen im Zentrum der Aufgaben des DGB, sagt er. Er habe sich dabei „immer an der Sache“ und nicht an „Proporzfragen“ orientiert.

Der 55jährige päsentiert sich jovial und offen, erzählt von seinem allmählichen feministischen Erwachen. Als Ende der achtziger Jahre eine Frauengruppe mit dem Ansinnen eines Erziehungsurlaubs an ihn als Betriebsratsvorsitzenden herangetreten sei, habe er erst widerwillig reagiert, sich dann aber an die Spitze der Bewegung gestellt. Insgesamt habe sich sein Verständnis für Familie, Mann und Frau radikal gewandelt. Heute erschiene ihm doch manches selbstverständlich, was er einst automatisch der Frau zugeordnet habe, die Beteiligung an der Hausarbeit zum Beispiel. „Man“ müsse einem das „nur richtig an den Verstand bringen“. Als Mann Erziehungsurlaub zu nehmen, könne er sich jetzt eher vorstellen als noch vor zehn Jahren. Ein Freund von ihm habe das damals probiert, sei aber gleich wieder ausgebrochen.

Kleine Schritte, das ist seine Devise. Und die Ziele des DGB in einer Zeit der programmatischen Neubestimmung? „Das zentrale Thema ist die Frage von Beschäftigung. Diese Suche nach gemeinsamen Wegen zu mehr Beschäftigung muß absolut verzahnt werden mit der Frage Frauenpolitik. Das wird sehr schwierig werden.“ Der Einführung einer Frauenquote, etwa als Bedingung zur Vergabe öffentlicher Aufträge, steht er skeptisch gegenüber: „Über die Vorgabe einer Quote verändern Sie meiner Meinung nach in den Köpfen erst mal gar nichts, sondern ganz im Gegenteil. Man betrachtet die Quote als etwas, was man im Augenblick tolerieren muß gegen die eigene Überzeugung.“ Schließlich denke die Gesellschaft auch nicht anders über Schwerbehinderte, nur weil 6 Prozent der Arbeitsplätze für sie reserviert würden.

Was will der DGB-Vorsitzende statt dessen tun, um Gleichberechtigung der Geschlechter zu verwirklichen? „Ich will es nach vorne tragen. Es ist einer der Schwerpunkte.“ Immerhin seien die Frauen die „großen Verlierer seit 1991“, sagt der DGB-Vorsitzende. Aktuell zum Beispiel werde Teilzeitarbeit allein Frauen zugeschoben. Sie müsse aber freiwillig übernommen werden, für Frauen und Männer gelten und Rückkehrrechte offenlassen. Mit einer weiteren einschneidenden Arbeitszeitverkürzung kann er sich jedoch nicht anfreunden. Zeitsouveränität und vorgezogene Altersgrenze ist das höchste der Vorstellung. Die Idee einer gewerkschaftlichen Offensive für eine gerechtere Verteilung von Reproduktionsarbeit findet er immerhin interessant. „Das würde ja bedeuten, wir machen jetzt ein Männerprogramm, indem wir dafür werben, daß Männer, im Rahmen der Familienarbeit ja auch Dinge übernehmen könnten. Eine ganz interessante Variante. Müßte ich mal drüber nachdenken.“ Um eigene Konzepte ist er jedoch, wie auch die Gewerkschaften insgesamt, sichtlich verlegen. Und unter der Hand wird der verleugnete Widerstand der Männer gegen gleiche Beteiligung der Frauen sichtbar.

Alfred Wisskirchen, Leiter der Abteilung Arbeitsrecht bei der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände in Köln, zeigt sich als alter Hase in Sachen Chancengleichheit. Auch er ist ein Herr reiferen Alters, überaus höflich und korrekt, präzis und professionell. Eine spezielle Sparte Frauenförderung gebe es nicht im Haus. Chancengleichheit sei nichts Neues, vielmehr allgemeines Programm. „Ergebnisdifferenzierung“ muß nicht, kann aber herauskommen: „Die Startchancen, die müssen realisiert werden. Dann ist die Frage der Gleichstellung, das klingt mehr nach mechanischem Gleichsetzen, es ist nicht der richtige Ansatz.“ Die Quote sei ein Verstoß gegen Chancengleichheit und Gleichberechtigung, weil der Geschlechtsfaktor zum Entscheidenden gemacht werde.

Die Arbeitgeberverbände haben ein klares Konzept, wie und welche Gleichberechtigung sie wollen. Und im Gegensatz zu den Gewerkschaften wissen sie sehr genau, warum sie sich dem Frauenthema widmen. „An der Spitze steht sicher die ganz nüchterne Betrachtung, daß die Wirtschaft auf allen Stufen qualifizierte Mitarbeiter braucht.“ Gleichberechtigung ist gut, wenn sie sich rechnet. Dementsprechend geht es den Arbeitgebervertretern nicht um die Rechte der Frauen, sondern um die Verfolgung eigener Interessen, wie den Abbau von Vorschriften und die vehemente Ablehnung jedweder neuen Gesetzesvorgabe. Wisskirchen begrüßt, daß das Beschäftigungsverbot in Baugewerbe und das Nachtarbeitsverbot jüngst aufgehoben wurden. „Der Gesetzgeber mußte erst mal seine Aufgaben machen, Beschränkungen, Behinderungen und Verbote für Frauenarbeit zu verbieten.“ In der Förderung könne der Gesetzgeber dagegen relativ wenig machen. Gesetzliche Regelungen lehnt er selbstverständlich ab: „Es gibt jetzt dieses zweite Gleichberechtigungsgesetz, das sogenannte. Ja, was da vorgesehen ist, sind vor allen Dingen neue Gremienräte, Frauenbeauftragte und Pläne, die jedes Jahr erstellt und wieder aktualisiert werden müssen. Ob diese Bürokratie wirklich das Ergebnis nachher fördert, habe ich Zweifel. Dagegen würden wir uns erheblich wehren. Es würde eine Menge Kosten verursachen. Wir glauben nicht, daß man damit Bewußtseinsveränderungen betreiben kann.“ Von Frauenministerien, Gleichstellungsstellen und Frauenbeauftragten hält Wisskirchen wenig. Als Vorschrift für Unternehmen kämen sie nicht in Frage. Alfred Wisskirchen will die private Wirtschaft von derartigen gesellschaftlichen Verpflichtungen freihalten.

In allem ein bißchen forscher präsentiert sich der Personalmanager der Volkswagen AG, Arbeitsdirektor Peter Hartz. VW sieht sich als führendes Unternehmen in Sachen Frauenförderung. Diese sei „innovatives Element“ im Veränderungsprozeß. „Konstruktive Gestaltung der Gleichstellungsfrage als integraler Bestandteil einer ganzheitlichen Personal- und Organisationsentwicklung“ soll beitragen, im „internationalen Wettbewerb Spitzenleistungen“ zu erbringen. VW hat eine Frauenbeauftragte, eine Kommission zur Frauenförderung, eine Organisationsstruktur an allen VW-Standorten, ein umfangreiches Programm und behandelt Frauenförderung von der Angelernten bis zur Führungsfrau als Querschnittsaufgabe. Peter Hartz, Chef des Ganzen, seit 18 Jahren in der Personalabteilung tätig, zeigt sich gesprächsbereit, lebendig, persönlich stark. Er fühlt sich „absolut“ angesprochen. Gleichwertigkeit der Geschlechter ist ihm eine Selbstverständlichkeit! Zwölf Prozent oder aktuell 12.400 Frauen bei WV müßten schon allein fachlich und ökonomisch ernst genommen werden. VW versuche, die Frauenarbeitsplätze als solche zu definieren und zu erhalten. Denn sie werden heute öfter als Männerarbeitsplätze wegrationalisiert oder ausgegliedert. Die Gegenstrategie sei, Frauenarbeitsplätze an anderer Stelle zu schaffen oder Frauen so mobil zu machen, daß sie auf klassischen Männerplätzen arbeiten können. Auch unter erschwerten Bedingungen soll der Frauenanteil in den höheren und qualifizierteren Positionen vergrößert werden. VW fühle sich für jede Frau verantwortlich. VW verankert Frauenförderung verbindlich in Personalpolitik und Personalplanung. Je knapper Arbeitsplätze werden, um so mehr stellt sie sich als Macht- und Konkurrenzfrage zwischen Männern und Frauen. VW hat durch einen aufsehenerregenden Tarifabschluß, der die Viertagewoche ohne Lohnausgleich brachte, eine Massenentlassung verhindert. „Ganz wesentlich hat sie eine Konfliktsituation und eine Polarisierung zwischen den Geschlechtern verhindert“, sagt Hartz.

Er preist den „Strauß an Arbeitszeitmodellen, die besonders frauenfreundlich sind. Diese Stafettenregelung, daß man bei jungen Frauen mit steigender Stundenzahl ins Berufsleben einsteigt, bei älteren Frauen mit steigender Stundenzahl ausgleiten kann, oder auch die Möglichkeit, sich einen Arbeitsplatz zu teilen. Diese Elternstafette: Wenn beide bei uns arbeiten und sie Kinder zu versorgen haben, maßschneidern wir ihnen eine Arbeitsplatzlösung, der Vater geht morgens arbeiten, die Mutter teilt sich den Arbeitsplatz, kommt mittags, läßt den Kleinen im Wagen, und der Vater fährt mit dem Kleinen wieder nach Hause.“ Worauf er allerdings nicht hinweist: Die Elternstafette wird vor allem von Frauen angenommen, wohl auch deshalb, weil gerade in den unteren Lohnschichten die Männer mehr verdienen.

Frauenförderung bei VW ist ein sogenannter top-down-Prozeß. 1983 wurde sie in der Konzernspitze beschlossen, um den Fach- und Führungskräftebedarf zu sichern. Heute kommt der neue „Produktionsfaktor Geschwindigkeit“ hinzu. Ein Produkt entsteht, lebt, verändert sich schnell. Die modernen Kommunikationsmittel beschleunigen Informationen und Entscheidungen. Die Beobachtungen der VW-Manager ergaben, daß Frauen sehr wach, sensibel und schnell auf diese Entwicklungen regieren. Deshalb erwarte sie ein Quantensprung beim Anteil an zukünftigen Arbeitsplätzen.

Der top-down-Prozeß“ muß durch einen bottom-up-Prozeß ergänzt werden. Den Druck von unten organisiert VW pikanterweise selbst! In Seminaren werden Frauen trainiert, sich die Sache zu eigen zu machen. Die Aversionen gegen wirksame Instrumente zur Durchsetzung der Gleichstellung sind bei VW nicht ganz so ausgeprägt wie bei der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände. Quoten, etwa bei der Vergabe von Ausbildungsplätzen, werden aber abgelehnt. „Geschlechtsspezifische Rücksichten darf es jedoch nicht geben, wenn es um Professionalität, Qualität und Wettbewerbsfähigkeit geht.“

Peter Hartz dreht den Spieß um. „Frauen müssen mit ihren Mitteln kämpfen, und ich glaube, daß da gerade sie prädestiniert sind, sich auch durchzusetzen. Wenn sie sich so satt verhalten oder so wie die Männer, daß sie nicht mehr überdurchschnittlich ehrgeizig sind und motiviert, dann werden sie sich nicht überproportional entwickeln. Das wird man den Frauen nicht ersparen, wenn sie auf die Stelle wollen, müssen sie den behäbigen Männern voraus sein. Und den Männern tut das sehr wohl, wenn sie da flott und locker gemacht werden in der Besetzung der Arbeitsplätze.“ Das neue Erfolgsrezept bei VW: Frauen als Frischmacherinnen der Leistungsgesellschaft.

Der Zugang der Herren zum Thema ist aufschlußreich. Persönlich sind sie angeblich in keinen Geschlechterkonflikt verwickelt. Sie mögen dabei mehr oder weniger Sympathie für das abstrakte Ziel der Gleichberechtigung von Frau und Mann hegen. Ganz in diesem Sinne unterscheiden sie „gute Sachfragen“ von „schlechten Proporzfragen“. Leider nur ist der Machtproporz Teil der Sache. Was diese Männer unter Sache verstehen, erschließt sich wiederum im Blick auf das, was sie politisch in Bewegung setzt: das eigene Interesse an Besitz und Wohlergehen.

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