: Null Bock auf Nadeln
■ Dänische Tannenbaumzüchter setzen englische Schafe als Unkrautvernichter ein / Bald auch in Schnelsen
Schafe, so heißt es, fressen ziemlich alles. Nicht so die Lads aus Shropshire. Weil die wolligen Engländer eine tierische Abneigung gegen die bitteren Tannennadeln haben, stehen sie beim Dänen Teddy Hartlev Thomsen unter Vertrag. Der ist einer der größten europäischen Weihnachtsbaumzüchter und -grossisten und will die mäkeligen Tiere als Unkrautvernichter einsetzen, damit die berühmten dänischen Weihnachtsbäume bald auf chemiefreiem Sandboden aufwachsen können. „In spätestens drei Jahren werden wir dank der Shropshires keine Unkraut-Spritzmittel mehr verwenden“, verspricht Thomsen-Filius Dan.
Neben der Tannenbaum-, Erdbeer- und Chinagraszucht widmen sich die Thomsens nun auch dem Nachwuchs der wollenen Vierbeiner. Behütet vom schottischen Schäfer Graham Allan, dessen dänischem Hirtenkollegen Mikkel Gandrup und bewacht von Bordercollie „Nalle“ weidet die 150-köpfige Herde zwischen Thomsens Stammkulturen um die Ortschaften Padborg und Bov nahe der deutsch-dänischen Grenze. Ein Teil von ihnen wird ab kommendem Frühjahr nach dem Lämmerwurf zum „Unkrautvernichten“ auch auf die internationalen Baumplantagen der Thomsens im ostfranzösischen Vesoul, nach Österreich, Polen und nach Hamburg-Schnelsen geschickt.
Die Nachfrage nach dänischen Edeltannen ist ungebrochen stark - bis zu zehn Prozent von ihnen stehen in deutschen Wohnstuben. Am beliebtesten ist die – erst Monate nach dem Absägen nadelnde – Nordmanntanne (abies normanninana). Dafür muß der deutsche Endverbraucher in diesem Jahr rund zehn Prozent mehr bezahlen als 1993 – zwischen 30 und 40 Mark pro Meter. Der teuerste Baum, den die Thomsens in diesem Jahr nach Deutschland schicken, wird in Leipzig stehen: 25 Meter hoch ist der Nordmann, den die dänischen Tannenzüchter für den dortigen Rathausmarkt gespendet haben, 45.000 Mark wird er kosten - wegen des komplizierten Transports.
Wie alle dänischen Baumzüchter, die seit fast einem halben Jahrhundert den Weihnachtsbaum-Gartenbau großflächig betreiben, preist auch Dan Thomsen die Tanne als ökologisch wertvolles Produkt und nicht als Naturvernichter: „Für jeden geschlagenen Baum setzen wir einen neuen und sogar noch mehr.“ Vom Plastikbaum als umweltbewußter Alternative hält er, wen wundert's, überhaupt nichts: „Das sind reine Chemiebomben.“ Sogar die Amerikaner hätten das inzwischen erkannt. Die holten sich wieder zu zwei Drittel „richtige“ Tannen ins Haus, noch vor wenigen Jahren sei die Hälfte der US-Weihnachtsbäume aus Kunststoff gewesen. Friedhelm Caspari, dpa
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