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Metropolitane Sorgen

Oder: Von der schier unüberwindbaren Schwierigkeit, binnen weniger Tage bei der BVG ein Umweltjahresticket zu erstehen / Eine Leidensgeschichte  ■ Von Vera Gaserow

Das Leben in der Metropole stellt deren BewohnerInnen vor mannigfache Ansprüche und Prüfungen. Beinahe täglich werden die Metropolitaner mit neuen, schier unerfüllbaren Herausforderungen auf die Probe gestellt. Meine Herausforderung heißt seit Tagen: Kauf einer Umweltjahreskarte der BVG.

Kapitel 1: Argloser Gang zum Kundenservice der BVG-Zentrale am Kleistpark. Dort haben sich bereits Hunderte von Rentnern zum unfreiwilligen Open-air-Festival versammelt. Seit Stunden stehen sie im Freien Schlange, um alte Seniorenkarten gegen neue zu tauschen. An ein Durchkommen zum Kartenschalter ist bei Strafe eines Hiebes mit dem Gehstock nicht zu denken. Die Stimmung ist prärevolutionär. Doch zum Sturm auf das BVG-Hauptquartier sind die erbosten Alten auch dann nicht zu bewegen, als nach stundenlangem Schlangestehen die Nachricht durchsickert: den Verkehrsbetrieben der Metropole sind die Wertmarken ausgegangen.

Kapitel 2: Beschwingter Weg zum Fahrkartenschalter des nächstgelegenen U-Bahnhofes, der Umwelt zuliebe. Der Schalter zeigt sich von seiner negativsten Seite: er ist zu. Keinerlei Hinweis, wann er wieder die Gnade hat, geöffnet zu sein.

Kapitel 3: Selbe Zeit, selber Ort. Gerettet. Die Jalousie ist hochgezogen, hinter dem kleinen Sprechfensterchen sogar ein Bürger dieser Metropole. „Ein Umweltjahresticket, bitte schön.“ „Ham wer nich.“ Sprechfensterchen zu. Wiederholung der Frage – wahrscheinlich hat er sie nicht verstanden: „Ein Umweltjahresticket.“ „Kriech ich erst am 26.“ Fensterchen zu. Aha, immerhin die Existenz des Tickets ist somit erwiesen. Aber warum hat seine Kollegin am Nachbarbahnhof es schon? „Weiß ich nicht.“ Fensterchen zu. Einmaliges Blättern in einem Büchlein fördert hinter der Schalterscheibe dann überraschend einen ganzen Stapel von Bögen mit den begehrten Wertmarken zutage. Also doch. „700 Mark.“ So eine Summe legt man nicht jeden Tag auf den Tisch. Der Scheck ist gerade ausgefüllt, da schnappt das zugeschlagene Sprechfensterchen wieder auf: „Geht nicht, ich hab' keine Vorlage.“ „Vorlage?“ „Zum Eintragen des Verkaufs.“ Fensterchen zu. Ob er nicht vielleicht, freundlicherweise, noch einmal nachgucken könnte? „Kenn' mich hier nicht aus, bin jeden Tag an einer anderen Stelle, hier sind keine Vorlagen.“ Fensterchen zu. Vielleicht, daß er die Gnade hätte, bei der BVG-Zentrale die Vorlage zu ordern? Unerwartetes geschieht. Der Mann hinter der Scheibe greift zum Telefon: „Keiner da.“ Fensterchen zu. Dann solle er es doch bitte später noch einmal versuchen. „Das dauert aber.“ Fensterchen zu. Macht nichts. Ich kann ja morgen wiederkommen. „Dann ist hier wahrscheinlich dicht.“ Fensterchen zu. „Und wann ist hier nicht dicht?“ „Weiß ich nicht.“ Warum weiß er nicht? „Hängt vom Personalstand ab.“ Fenster zu.

Kapitel 4: Nächster Tag, selbe Zeit, selber Ort. Wie der BVG- Personalstand so spielt, der Schalter ist verschlossen. Morgen werde ich es wieder versuchen, übermorgen auch, aber zu einer anderen Zeit, dreimal täglich vielleicht, am besten wäre, für die Herausforderung vorsorglich ein paar Tage Urlaub zu nehmen. Man weiß ja nie, wo und wie ein metropolitaner Personalstand gerade steht.

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