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Verrätselte Fragmente

■ Mode mit anderen Mitteln: Couturier Karl Lagerfeld als Fotograf

Dem Titel zum Trotz sind alle Fotografien des großformatigen Bildbands „Karl Lagerfeld off the record“ ganz unbedingt für die Öffentlichkeit bestimmt: der gestische Tanz eines Paars schlanker Hände, Emma Thompson im Park, Linda Evangelista im Schnee, Anna und Katharina Thalbach, Mengen bis zur Unkenntlichkeit unscharfe Bilder und Claudia Schiffer in NIX – „die einfache, naive und lehrreiche Geschichte über die Reise von Greta und Hans nach Berlin“. Mit einem für die neue Hauptstadt übrigens ziemlich traurigen Ende: „Die beiden beschließen, von Berlin wegzugehen; das Erlebte war ein einziges NIX.“

Mit NIX begibt sich Lagerfeld in die Niederungen des Fotoromans. Das hat vor ihm schon Jean- Paul Gaultier mit „A nous deux, la mode“ getan, um damit die anspruchsvolle Künstler-Monographie nach dem Muster „sein Leben und Werk“ der Lächerlichkeit preiszugeben. So deutlich will Lagerfeld nicht Stellung beziehen. Er setzt auf das verrätselte Fragment, mit Fotografien der sieben Häuser in Paris, in denen er wohnte, und des Tors, hinter dem er jetzt residiert. Mit unerbittlichem Gespür für die absolut unerotische, dafür aber sexuell um so aufgeladenere zeitgenössische Erscheinungsweise von Schönheit zeigt er die in ihrer Transportkiste in Holz eingekeilte Marmorstatue einer Mädchenfigur als fetischistische Fesselungsszene. Fotografie ist für Lagerfeld die Fortsetzung der Mode mit anderen Mitteln.

Zweifellos ist Lagerfeld ein interessanter Fotograf, denn das muß man erst einmal erfaßt haben. In seiner gleichfalls recht fragmentarischen Referenz an die Haute Couture erweist er sich allerdings als ein noch interessanterer Autor. Der Text über die Herzogin von Windsor läßt seine nachgestellten Fotos zu Wallis Simpson unerheblich erscheinen. Doch nie wieder sollte er sich dem Lektorat des Steidl-Verlags anvertrauen.

Im Text der Presseankündigung, von dem man annehmen muß, daß er unredigiert ist, schreibt Lagerfeld noch: „Sie war eigentlich geschlechtslos. ... Aber am Ende appellierte sie weder an einen Mann noch an eine Frau, sondern einzig an die Haute Couture“. Im lektorierten Bildband ist daraus die fatale und in ihrer Aussage auch noch völlig verfälschte Harmlosigkeit geworden: „Aber schließlich wollte sie niemanden beeindrucken; ihr ging es nur um die Haute Couture.“ Solange man Couturiers keine Sprachkultur zubilligt, werden sie wohl fotografieren müssen – da ist es nicht ganz so leicht, sich einzumischen. Und sonst entstünde auch kein solches Foto wie das des Hutmachers von Madame Francine. Und das wäre dann doch schade. Brigitte Werneburg

„Karl Lagerfeld off the record“. Steidl-Verlag Göttingen 1994, 224 Seiten, Leinen, 98 DM.

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