piwik no script img

Staatsanwalt verschont die Polizei mit Ermittlungen

■ Rekord im Nichtstun: Seit 20 Monaten keine Ermittlungen nach der Sielwallhaus-Zerstörung

Es gibt Fälle, in denen schlägt die Staatsanwaltschaft mehr als flott zu. Und es gibt Fälle, in denen braucht sie Monate, bis sie über Anklage oder Einstellung eines Verfahrens entscheidet. Einen Rekord im Nichtstun hat die Bremer Staatsanwaltschaft jetzt allerdings bei der Bearbeitung einer Strafanzeige aufgestellt, die die Sielwallhaus-Initiative gegen den Leiter eines Polizeieinsatzes gestellt hatte, bei dem im März 1993 ein Sachschaden von rund 10.000 Mark entstanden war. Nach 20 Monaten Untätigkeit hat sich Generalstaatsanwalt Hans Janknecht gestern ausdrücklich beim Anwalt der Initiative für diese Schlamperei entschuldigt.

Nachdem der zuständige Staatsanwalt Frank Repmann auch einen Monat nach dem Vorfall noch keinerlei Initiative zeigte, die Zeugen der polizeilichen Durchsuchung zu vernehmen, hatte der Sielwallhaus-Anwalt Dienstaufsichtsbeschwerde wegen Untätigkeit erhoben. Bewegung in die Sache brachte nun offenbar aber erst die Veröffentlichung des Vorgangs durch den Anwalt. „Der leitende Staatsanwalt Frischmuth hätte sich darum kümmern müssen“, meint Generalstaatsanwalt Janknecht gestern auf Anfrage , „das ist offenbar nicht geschehen.“

Ein Grund für die monatelange Untätigkeit war offenbar, daß Polit-Staatsanwalt Hans-Georg von Bock und Polach trotz zehnmaliger schriftlicher Aufforderung seines Kollegen Repmann eine Akte aus diesem Zusammenhang nicht herausgegeben hat. Darin wäre nachzulesen gewesen, warum das Verfahren, für das der Polizeieinsatz im Sielwallhaus überhaupt stattgefunden hatte, längst eingestellt worden war.

Die Polizei wollte damals im Sielwallhaus ohne Erfolg Portrait-Fotos eines Polizeibeamten sicherstellen, die sie zuvor bei einer Personenkontrolle entdeckt, aber nicht beschlagnahmt hatte. Obwohl die Hintertür des Sielwallhauses offen stand, hatten die Beamten zehn Türen aufgehebelt oder eingetreten und damit den erheblichen Sachschaden angerichtet, für den das Sielwallhaus nach Abschluß des Strafprozesses auch Schadensersatzansprüche geltend machen will.

„Es ist nicht erstaunlich, wenn sich bei den Betroffenen der Eindruck aufdrängt, daß Strafanzeigen gegen Polizeibeamte schlicht nicht verfolgt werden“, schreibt Sielwallhaus-Anwalt Andreas Wattenberg in seiner Mitteilung zu dem Vorfall an die Medien. Ebensowenig verwundere, „daß am 2. Oktober 1994 die Räume der Jugendinitiative erneut schwer beschädigt wurden“ – und das ausgerechnet unter Leitung des gleichen Beamten, gegen den bereits nach der Durchsuchung im März 1993 Strafanzeige gestellt worden war, den Leiter der Kripo-Abteilung 73 für „Staatsschutzdelikte links“, Frank Herrmann.

Ase

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen