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■ Vom Nachttisch geräumtSicherheit

Am 30. 1. 1934 schreibt Max Beckmann seinem Galeristen, der solle vorerst keine Ausstellung organisieren. Auffallen dürfe man jetzt nicht. Bald werde sich einiges ändern: „Es sind Dinge und Kräfte am Werk, die uns sehr nützen werden, die aber mit Sicherheit verhindert werden, wenn wir unnötigen Lärm schlagen.“ Beckmann glaubte sich von wichtigen Nazi- Größen vor anderen – wie sich herausstellen sollte, noch wichtigeren – geschützt. Seine Bekannte Lily von Schnitzler war mit dem Reichsbankpräsidenten Hjalmar Schacht befreundet, und so wähnte der Maler sich im Besitz exklusiver Informationen über die Absichten der Nazis. Beckmann war nicht sonderlich interessiert an Politik. Am 23. 10. 1930 hatte er seinem Münchner Galeristen geschrieben: „Vergessen Sie nicht, wenn Sie dazu Gelegenheit haben, den Nazis beizubringen, daß ich ein deutscher Maler bin. Mittwoch stand im Völkischen Beobachter bereits ein Angriff gegen mich. Vergessen Sie das nicht. Es kann einmal wichtig werden.“ Beckmann wollte in Ruhe arbeiten. Er hatte in Deutschland erreicht, was er erreichen konnte. Als er in den Jahren 1929 bis 1931 seinen Hauptwohnsitz nach Paris verlegte, da tat er das nicht aus Schrecken über die deutsche Entwicklung, sondern weil er – mit 45 Jahren – dort noch einmal einen großen Sprung in die Weltklasse der Malerei machen zu können hoffte. Sein Ziel war, Picasso abzulösen. Aber in Paris interessierte sich kaum jemand für ihn. Er ging zurück nach Deutschland und sah sich dort angefeindet wie seit zwanzig Jahren nicht mehr. Er versuchte sich im Dritten Reich zu arrangieren. Bald merkte er, daß das nicht ging. Als er im Juli 1937 – am 19. wurde die Ausstellung „Entartete Kunst“ in München eröffnet – aus Deutschland emigrierte, hatte er das, so gut er konnte, vorbereitet. Unter anderem auch mit Gemälden, die seinen posthumen Ruhm begründeten. Das zweite Triptychon „Versuchung“ hatte er noch in Deutschland fertiggestellt. Als er es 1938 in London zeigte, wurde es zum „Symbolbild für die in Deutschland verfolgte Kunst“.

Max Beckmanns Briefe aus den Jahren 1925–1937 zeigen einen wenig theoretisierenden Künstler; sie bieten Einblicke in die Auseinandersetzung mit Galeristen, Ehe- und anderen Frauen. Fast zweihundert Seiten Anmerkungen helfen bei der Lektüre.

„Max Beckmann, Briefe Band II: 1925–1937“. Bearbeitet von Stephan von Wiese, Piper Verlag, 1994, 485 Seiten, 33 Schwarzweißabbildungen, 98 DM

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