: Kämpfe in Flüchtlingslager im Libanon
Arafat-Anhänger und Islamisten kämpfen um die Vorherrschaft in einem palästinensischen Flüchtlingslager / Deeskalationsabkommen für den Gazastreifen ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin
In einem palästinensischen Flüchtlingslager im Libanon kamen gestern bei schweren innerpalästinensischen Auseinandersetzungen mindestens zehn Menschen ums Leben. Mehrere hundert Anhänger der von PLO-Chef Jassir Arafat angeführten Fatah- Fraktion vertrieben eine gegnerische Splittergruppe unter Führung von Munir Makdah, der sich wegen der Aussöhnung Arafats mit Israel von der Fatah getrennt hatte. Am Nachmittag eroberten die Angegriffenen einige Positionen zurück.
In diesem bei Saida gelegenen Lager Ein El-Hilweh leben etwa 60.000 Menschen. Die gegnerischen Gruppen setzten Machinengewehre und Granatwerfer ein. Kämpfer der muslimisch-fundamentalistischen Hamas und der Islamische Dschihad unterstützten die Leute Makdahs. Den Fatah- Kämpfern gelang es nach Polizeiangaben, Teile des Flüchtlingslagers zu erobern, die zuvor von Makdah kontrolliert worden waren. Während die Bewohner des Lagers in ihren Häusern und Kellern Schutz suchten, machte die draußen stationierte libanesische Armee Agenturberichten zufolge keine Anstalten, die Kämpfe zu unterbinden, sondern riegelte nur die Zufahrtsstraßen ab.
Ruhig blieb es hingegen im Gaza-Streifen, wo eine Wiederholung der schweren Unruhen von der vergangenen Woche verhindert werden konnte. Dort sagte die islamistische Palästinenserorganisation Hamas ihre für gestern nachmittag geplante Großdemonstration im Gaza-Streifen „wegen des schlechten Wetters“ ab. Niemand bezweifelt jedoch, daß die Entscheidung nicht nur mit dem eher spärlichen Regen zu tun hatte, den es gerade gestern – nach den großen Güssen der letzten Woche – nur noch hie und da gab.
Nach intensiven Bemühungen israelisch-arabischer Vermittler war am Donnerstag ein Deeskalationsabkommen veröffentlicht worden, das der Berater von PLO- Chef Jassir Arafat, Ahmed Tibi, und der Führer der Islamisten in Israel, Scheich Abdalla Nimr Darwisch, unterzeichneten. Der einflußreiche und von allen Seiten geachtete Haidar Abd el-Schafi aus Gaza wurde gebeten, seine Unterschrift ebenfalls unter das Dokument zu setzen. Darin verpflichten sich alle in Gaza präsenten Gruppierungen, provokatives Waffentragen auf den Straßen, bei öffentlichen Veranstaltungen und Demonstrationen zu vermeiden. Nicht betroffen sind davon nur Polizei und Sicherheitsorgane der palästinensischen Regierung (PNA).
Die Organisationen sind zwar berechtigt, ihren politischen Meinungen in Flugblättern oder Erklärungen Ausdruck zu verleihen, sie verpflichten sich dabei jedoch, von allen Beleidigungen (im Original: Flüchen) und Drohungen gegen einzelne Personen oder Gruppen Abstand zu nehmen.
Unterdessen hat ein israelisches Militärgericht den 24jährigen Palästinenser Said Badarneh als Hintermann des Selbstmordanschlages vom 13. April dieses Jahres zum Tode verurteilt. Bei dem Attentat auf einen Bus waren fünf Israelis und der Täter umgekommen.
Für den – bis jetzt noch nicht festgelegten – Zeitpunkt der Wahlen in der Westbank überlegt Israels Premier Jitzhak Rabin Rundfunkberichten zufolge, die israelischen Truppen vorübergehend zurückzuziehen. Möglicherweise will er so Arafat den Rücken stärken.
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