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Schmerzliche Scheidung über Generationen

■ Premiere von Per Lysanders und Suzanne Ostens Stück „Medeas Kinder“ im TiK

Hübsch soll sie sein, die neue Frau von Jason, Glauke. Doch für Medea wird dieser Name zum Inbegriff alles Bösen und Schlechten. Wenn ihr Name genannt wird, verfällt Medea in Wutausbrüche oder betretendes Schweigen. Dabei ist Medea eigentlich eine starke Frau. Groß ist sie und imposant sieht sie aus, wie sie in ihrem langen, roten Kleid und der Felljacke dasteht. Doch schon als sie Jason kennenlernte, wurde sie einmal schwach. Mit ihren Zauberkräften half sie, das Goldene Vlies zu erlangen, floh mit Jason aus ihrer Heimat und gründete mit ihm eine Familie. Völlig hilflos wird sie, als Jason sich in eine andere verliebt. Ein Scheidungskrieg bricht aus, zwischen deren Fronten Klein-Medea und Klein-Jason stehen.

Medeas Kinder heißt die Übertragung des antiken Dramas von Euripides durch die schwedischen Autoren Per Lysander und Suzanne Osten, weil sie sich der Perspektive der Kinder bedient, um die Schrecknisse einer gescheiterten Ehe zu beschreiben. Astrid Eggers inszenierte das mit 66.000 Mark Subventionen seit Jahren am stärksten geförderte Kindertheaterprojekt in Zusammenarbeit mit dem Thalia Theater. Einfühlsam zeigt Eggers auf, was Scheidung für alle Beteiligten bedeutet.

In dem Stück sind die Hauptleidtragenden die Kinder, wie in der Realität meistens auch. Von ihren Eltern alleingelassen, versuchen sie, zu begreifen, was es bedeutet, das „Sich-scheiden-lassen“. In ihrem Kinderzimmer schaffen sie ihre eigene kleine Welt. Klein-Medea erklärt ihrem Bruder, wie das passiert mit der Scheidung: Wenn man sich liebt, dann kommen die Kinder und dann die Scheidung.

Doch eigentlich erklärt das garnichts, und die beiden stehen genauso ratlos da, wie zuvor. Wie auf eine Reise begeben sich die beiden in einen Prozeß hin zum Verstehen. Die Erfahrungen, die sie dabei machen, sind extrem: sie fühlen sich schuldig und versuchen sich umzubringen. Später klagen sie sich gegenseitig an und geben sogar das auf, was ihnen noch geblieben ist: ihre Freundschaft. Sie „scheiden sich“ ebenfalls.

Mit einfachen Mitteln gibt Eggers den schmerzlichen Prozeß auf der Bühne wieder. Begleitet werden die professionellen Schauspieler von Jugendlichen des Thalia Treffpunktes, die als Chor dem Stück mit Melodien und Ausrufen eine akustische Untermalung geben. Am Ende gelingt es den beiden aus ihrer Angst und Verzweiflung auszubrechen. Warum die Eltern sich trennen, verstehen die Kinder immer noch nicht. Aber sie haben gelernt mit dieser schwierigen Situation umzugehen. Martje Schulz

TiK, 29.11. um 11 Uhr, 30.11. um 11 und 18 Uhr, sowie 1. und 2.12. jeweils um 18 Uhr

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