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„Ich bin billiger als eine Prostituierte“

■ Ein-Mann-Beratungspraxis für neue Männer vorgestellt und kritisch beäugt Von Kaija Kutter

Ein bißchen brenzlig wurde es gestern für Wolfgang John. Nach einem Jahr Arbeit wollte der Diplompädagoge mit therapeutischer Zusatzausbildung seine Beratungspraxis „Der neue Mann“ der Presse vorstellen und wurde dabei gehörig mit kritischen Fragen bombardiert.

„Das ist doch alles längst bekannt“, kanzelte eine Journalistin John ab, nachdem er die Lage des Mannes in unserer Gesellschaft skizziert hatte. Männer, so John, seien immer noch den herkömmlichen Rollen verhaftet, hätten eine Außenseiterposition in der Familie und litten an Konkurrenz und krankmachender beruflicher Selbstüberforderung. Indiz: Weniger als ein Prozent der Männer nehmen Erziehungsurlaub, Kinder sind immer noch Frauensache.

Eine Folge: Männer haben eine geringere Lebenserwartung und weniger Lebensglück. Männer seien auch weniger in der Lage, über Gefühle und Konflikte zu reden, schon gar nicht in Verbindung mit Sexualität. Und auch die sogenannten alternativen Männer gingen oft den falschen Weg. Versuchten, sich an weiblichen Leitbildern zu orientieren und wirkten oft „unglücklich, kraft- und orientierungslos“.

Drum machte sich der ehemalige Fachreferent aus der Sozialbehörde daran, analog zu den zahlreichen Frauenberatungsstellen eine Beratungspraxis für Männer zu eröffnen, die inzwischen „intensiv“ in Anspruch genommen würde. Sein Ansatz: die Verbindung von männerpolitischer Analyse mit individueller Beratung, der im allgemeinen eine Kurzanalyse vorausginge. John: „Sehr ergiebig ist es, über das väterliche Vorbild zu reden.“ Gerade die Väter in den 50er Jahren hätten zuhause durch Abwesenheit geglänzt. Als ein Ausweg sieht John die Ermunterung seiner Geschlechtgenossen zur Teilzeitarbeit und Kindererziehung, die keine „lästige Pflicht“ sei, sondern „entscheidende Hilfe zum sichereren Umgang mit Gefühlen“.

Eine Stunde bei John kostet im Schnitt 80 Mark. Viele der Männer, die zu ihm kämen, flüchteten sich in ein sexuelles Doppelleben, „denen sag ich dann, ich bin billiger als eine Prostitutierte“.

Nur, was unterscheidet John von einem x-beliebigen Therapeuten mit männerkritischem Bewußtsein? „Den müssen sie erstmal finden“, konterte der Newcommer im Therapeutengeschäft. Denn während eine kritische Reflektion der Frauenrolle von jeder guten Therapeutin geleistet würde, sei dies bei Männern nicht der Fall.

Wie genau seine Methode denn nun aussehe, bohrten Pressevertreter nach, die sich rein zufällig auch gut in der Männerbewegungsszene auskannten und feststellten, daß John dort kaum bekannt sei. Der 45jährige geschiedene Vater, der für seine Kinder auf Vollzeitberufstätigkeit verzichtet hatte – diese Details wurden verlangt – , hielt sich tapfer: Nachdem er auf Anforderung haarklein den fiktiven Fall eines an Potenzstörungen leidenden Ehemannes erörtert hatte, wurde ihm immerhin attestiert, daß er „Mut“ habe und seine Beratung, würde er sie politisch nicht so hochstilisieren, wohl Sinn mache.

Übernorgen hat „Der neue Mann“ einen Tag der offenen Tür, Bürgerweide 62a, 11 bis 20 Uhr

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