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Werden Stadtgebiete nicht abgerissen?

■ Bezirke erarbeiten derzeit ein Gutachten für den Erhalt ganzer Stadtgebiete / Abrisse können verhindert werden

Hoffnungsschimmer für die von Abriß bedrohten Gebäude in Berlin-Mitte. Im Rahmen der Verwaltungsreform haben die Bezirke ab kommendem Jahr ein Mitspracherecht bei der Aufstellung von Erhaltungssatzungen. Mit dieser im Baugesetzbuch vorgesehenen Maßnahme können Abrisse und bauliche Änderungen verhindert werden, wenn sie dem städtebaulichen Ziel des Erhalts eines Stadtgebiets widersprechen. Bislang war für die Aufstellung solcher Beschlüsse allein Stadtentwicklungssenator Volker Hassemer (CDU) zuständig.

„Wir arbeiten zur Zeit mit Hochdruck an einem Aufstellungsbeschluß“, heißt es derzeit aus dem Stadtplanungsamt von Berlin-Mitte. Seit Oktober sind drei Planungsbüros beauftragt, in einem Gutachten die städtebauliche Begründung für den Erhalt der Friedrichstadt, der Dorotheenstadt, der Friedrich-Wilhelmstadt und der südlichen Brunnenstadt zu erarbeiten. Bereits zu Beginn des kommenden Jahres will das Bezirksamt dann den „Aufstellungsbeschluß“ festlegen. Damit kann das Stadtplanungsamt Bauanträge, wenn sie die Erhaltungsziele gefährden, bis zur endgültigen Festlegung einer Erhaltungssatzung zurückstellen. Für diese Festlegung, die binnen eines Jahres erfolgen muß, ist allerdings noch immer die Zustimmung des Stadtentwicklungssenators erforderlich. Im Stadtplanungsamt Mitte hält man die neue Regelung dennoch für einen „Teilerfolg“. Für die 180 vom Abriß bedrohten Gebäude im Bezirk bot bislang allein die vorläufige Eintragung als Baudenkmal einen gewissen Schutz.

Bisher war es die Hassemer-Behörde, die ein offensives Umgehen mit diesem Instrument – angeblich aus Personalmangel – erfolgreich verhinderte. So hat die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) in Mitte bereits im September 1991 vom zuständigen Senator eine Erhaltungssatzung für die Friedrichstadt gefordert. Umsonst. Nur fünf Gebiete sind derzeit in Berlin städtebaulich geschützt. Künftig jedoch soll eine Erhaltungssatzung an der Stadtentwicklungsverwaltung nicht mehr scheitern, gelobt Hassemer-Sprecherin Mechtild Bülow Besserung.

Entsprechend der neuen Aufgabenteilung hat die Hassemer-Behörde das Verfahren inzwischen in acht Fällen an die zuständigen Bezirksämter weitergegeben. Außer den Gebieten in Mitte sollen künftig auch der Graefekiez und die Luisenstadt in Kreuzberg, die Seestraße im Wedding und der Klausener Platz sowie die Siedlung an der Heerstraße in Charlottenburg städtebaulich geschützt werden.

Darüber hinaus ist für den Graefekiez und die Kreuzberger Luisenstadt eine „Milieuschutzverordnung“ vorgesehen. Damit soll, wie es im Amtsdeutsch heißt, die „Zusammensetzung der Wohnbevölkerung“ geschützt werden. Mit einer solchen Verordnung kann der Bezirk u.a. Privatmodernisierungen, die für die Mieter eine soziale Härte darstellen würden, unterbinden. Bisher genießen nur der Stephankiez und der Huttenkiez in Moabit einen solchen „Milieuschutz“. Ein Zuwachs an bezirklicher Kompetenz, der 1991 freilich teuer erkauft werden mußte. Um das Plazet des Umweltsenators zu erhalten, mußte der Bezirk Tiergarten im Gegenzug im zentralen Regierungsbereich bezirkliche Kompetenzen an den Senat abgeben. Uwe Rada

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